Nachdem Schleswig-Holstein 1867 eine preußische Provinz geworden war, entstanden hier ab 1880 diverse
Kleinbahnen. Dabei ging die Initiative zur Gründung der Bahnen meist von lokalen Interessenten aus,
die jeweiligen Landkreise sorgten für die Finanzierung und führten die Bahnen als Eigenbetriebe.
Entsprechend wurden die Bahnen allgemein als "Kreisbahnen" bezeichnet. Rund die Hälfte
der Anlagen erfolgte in 1.000 mm Schmalpur, die anderen in Regelspur. Die Streckenlänge der Kreisbahnen
in Schleswig-Holstein erreichte in der Summe 1.271 km. Ziel dieser Unternehmungen war primär die lokale
Erschließung des ländlichen Raumes zur Förderung von Landwirtschaft, Handel und Handwerk mit dem
Schwerpunk Gütertransport. Das wirtschaftliche Ergebnis war dagegen nachrangig, so daß die Bahnen
meist nur mit bescheidenen finanziellen Mitteln auskommen mußten. Der 1. Weltkrieg und seine Folgen
belasteten die Kleinbahnen schwer als Personal eingezogen und Material requiriert wurde. Nach einer
kurzen Belebung des Betriebes folgte der nächste Einbruch in den 1930er Jahren mit ersten Stillegungen.
Der Siegeszug des Kraftverkehrs der Nachkriegszeit leitete schließlich das Ende der Kreisbahnen
ein, die bis Anfang der 1970er Jahre eingestellt wurden.
Kreisbahnen in Nordschleswig
Die erste Kreisbahn in Nordschleswig war die "Flensburger Kreisbahn", die 1886 nach
Plänen des Ingenieurs Emil Hieronymus Kurth (* 1848, † 1909) gebaut wurde. Kurth propagierte
besonders leicht ausgeführte "Tertiärbahnen" in Meterspur, die sich als günstige
Alternative zu neuangelegten Vollbahnen oder Chausseen empfahlen. Trassen und Rollmaterial
entstanden nach der Maxime "billiger Bau und billiger Betrieb", ließen anfänglich aber
nur Geschwindigkeiten von 15 km/h zu. Die Bahnhofsgebäude ließen sich ggf. auch als Gasthöfe
nutzen und das bahneigene Telefonnetz war öffentlich zugänglich. Nach der Verabschiedung des
"Preußischen Kleinbahngesetzes" von 1892 entstanden nach diesem Muster mehrere Kreisbahnen,
die sich gut für das flache Geländeprofil Norddeutschlands eigneten. In Folge der Abtretung
Nordschleswigs an Dänemark durch die Volksabstimmung von 1920 wurde das Gebiet nun als
"Sønderjylland" (Südjütland) bezeichnet. Die Umbezeichnung betraf auch die 3 Kreisbahnen
um Sønderborg, Haderslev und Aaberaa, die nun als "Amtsbaner" firmierten, da die
äquivalente Bezeichnung zur Verwaltungseinheit "Kreis" im Dänischen "Amt" lautete.
Amtsbaner in Sønderjylland
Die Infrastruktur der neuen Region Sønderjylland erwies sich als desolat, da hier in den
Mangeljahren des Krieges keine nennenswerten Instandsetzungen erfolgt waren. So unternahm
der dänische Staat in den folgenden 2 Jahrzehnten massive Investitionen in die Bereiche
Schiene, Straße, Häfen, Elektrizität und Telefon. Der Schienenverkehr wurde von "Den
sønderjydske Jernbane Komission" begutachtet, die 1922 ihren Befund verkündete mit
desaströsem Ergebnis für die Amtsbaner. Abgesehen von ihrem verschlissenen Zustand und
ihrer wirtschaftlich prekären Lage, konstatierte die Komission nur unzureichende
Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Straßenverkehr. So stellten die Amtsbaner isolierte
Verkehrssysteme dar, die weder untereinander noch mit anderen Bahnen ausreichend verbunden
waren. Nachteilig war auch die gelegentlich verschlungene Streckenführung mit unnötig langen
Fahrzeiten. Es wurde empfohlen, die Amtsbaner aufzugeben und stattdessen den Verkehr mit
neuen DSB-Strecken in das bestehende Regelspurnetz zu integrieren. Die Amtsbaner stemmten
sich gegen ihren Untergang mit der Beschaffung von Verbrennungstriebwagen, die den Betrieb
moderner und günstiger gestalten sollten. Letztendlich wurden die Amtbaner aber bis Ende
der 1930er Jahre abgewickelt, es blieben lediglich einige Bahnhofsbauten mit neuer Nutzung erhalten.
Alsener Kreis Bahnen / Amtsbanerne på Als
Die "Alsener Kreis Bahnen" (A.Kr.B.) nahmen 1898 den Betrieb auf und erschlossen
die Insel Als von Sønderborg ausgehend mit einem Streckennetz von gut 50 km Länge. Der
Betrieb wurde der Verkehrgesellschaft "Lenz & Co GmbH" in Altona übertragen,
die erst 1925 von ihren Aufgaben entbunden wurde. Nach der Umwandlung als "Amtsbanerne
på Als" (ABA) versuchte man eine Modernisierung des Betriebes. In den Häfen Sønderborg
und Mommark wurden Vierspurgleise und Übergabestellen für den Rollbockbetrieb eingerichtet.
Zur Beschleunigung des Personenverkehrs beschaffte man die 2 Scemia-Triebwagen
ABA M 1-2
sowie die 3 Tenderloks
ABA 40-42 von der Stettiner Vulcan.
Dessen ungeachtet fiel bereits 1924 der Entschluß für eine feste Querung des Alssundes bei Sønderburg mit der
Kong Christian den X's Bro und die regelspurige Anbindung der Mommarkfähre an
das DSB-Streckennetz. Der Verkehr wurde hier 1932 aufgenommen und die übrigen ABA-Verbindungen
durch DSB-"Rutebiler" (Linienbusse) ersetzt. Die ABA stellte 1933 alle Aktivitäten
ein, lediglich der schmalspurige Anschluß zum Gaswerk Sønderborg wurde mit vormaligem
ABA-Material bis 1951 aufrecht erhalten. Die DSB-Strecke nach Mommark wurde 1968 stillgelegt,
die Bedienung der verbliebenen Güteranschlüsse im Hafen Sønderburg wurden 1998 eingestellt.
Museale Bestände
Zur Bewahrung der ABA-Historie wurde 2003 die "Veterantogsforeningen Amtsbanerne på
Als", kurz E Kleinbahn, gegründet. Der Verein verfolgte mit rund 100
Mitgliedern das Ziel, eine Museumsbahn zwischen Nordborg und dem Erlebnispark
"Danfoss Universe" bei Havnbjerg zu etablieren. An original ABA-Fahrzeugen
verfügte man über den gedeckten Güterwagen ABA 135 und einen Drehgestell-Personenwagen
(Beuchelt 1913). Von beiden Waggons waren die Wagenkästen als Gartenlauben erhalten geblieben
und wurden liebevoll instandgesetzt. Des Weiteren existierte noch die Dampflok ABA 42 im
polnischen Schmalspurbahnmuseum Gryfice Stała Wystawa Pomorskich Kolei Wąskotorowych,
deren Rückführung aber nicht zur Debatte stand. Im Depot Marslev des DJK finden sich 3 weitere
Wagenkästen von zweiachsigen (?) ABA-Personenwagen.
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Haderslebener Kreisbahn / Haderslev Amts Jernbaner
Die "Haderslebener Kreisbahn" (KH) erschloß ab 1899 das Umland von Haderslev
(dt. Hadersleben) und wurde 1920 zu den "Haderslev Amts Jernbaner" (HAJ)
gewandelt. Das Streckennetz umfaßte 11 Linien mit einer Gesamtlänge von 209 km und
machte die HAJ zu einem der größten Bahnbetreiber Dänemarks. Man verfügte über 46
Dampfloks sowie einige Hundert Waggons, womit umfangreiche Verkehrsleistungen erbracht
wurden. Zur Beschleunigung des Personenverkehrs wurde ab 1921 eine Flotte von
Motor-Triebwagen von
DWK,
Frichs
und
AEG angeschafft, die über den Verkauf des bahneigenen
Telefonsystems finanziert wurde. Zur Stärkung des Güterverkehrs wurde der Fährhafen in
Aarøsund 1923 an das Gleisnetz angeschlossen und die dortige Fähre zur Mitnahme von
Güterwagen ertüchtigt. So ließen sich Zuckerrüben von Jütland an das DdS-Werk
Assens Sukkerfabrik auf Fünen liefern. Für Rangieraufgaben wurden zwei Motor-Kleinloks
von
Frichs und O&K sowie 1939 die regelspurige Dampflok
LNJ 3 beschafft. Trotz aller Anstrengungen, wurde das
Streckennetz in den 1930er Jahren stückweise abgebaut und die HAJ 1939 endgültig stillgelegt.
Kleinbahnen des Kreises Apenrade / Aabenraa Amts Jernbaner
Die "Kleinbahnen des Kreises Apenrade" (KA) nahmen 1899 den Betrieb auf
und wurden 1920 zu den "Aabenraa Amts Jernbaner" (AaAJ). Ausgehend von
Aabenraa betrieb man 2 Strecken mit einer Länge von insgesamt 86 km, die sich durch
eine besonders kurvenreiche Trassenführung auszeichneten. Dadurch sollten kostspielige
Kunstbauten vermieden und möglichst viele Haltepunkte erreicht werden, Dies brachte
der Bahn den Spitznamen "Æ Kringelbahn" (Brezelbahn) ein und machte den Betrieb
hoffnungslos unrentabel. So war die Wegstrecke Aabenraa-Gråsten per Schiene 70 % länger
als auf der Straße. Die AaAJ wurde bereits 1926 stillgegelgt und das Rollmaterial
bestehend aus 11
Trambahnloks sowie diversen Waggons ausrangiert.
Zu den
Fahrzeugportraits der Amtsbaner.
Quellen:
Bracke, Sven (200-): Kleinbahnen. Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, https://geschichte-s-h.de
Bracke, Sven (2009): "Ein Pionier im Dienste des Verkehrs" - Zur Person Emil Hieronymus Kuhrt.
Rundbrief des Arbeitskreises für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins Nr. 101: 26-30.
E Kleinbahn https://www.ekleinbahn.dk
Jensen, Niels (2023): Hjælpen til Sønderjylland. Frederiksberg C: Forlaget Frydenlund A/S.
Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte: Kleinbahnen. https://geschichte-s-h.de
Jacobsen, Ilse Marie (2021): "E Kleinbahn" ein wichtiges Stück alsischer Geschichte. Der Nordschleswiger, www.nordschleswiger.dk
Wilcke, Birger (1986): Amtsbanerne på Als. Jernbanen 4/86: 64-75.
Wilcke, Birger (1989): Det sidste amtsbanetog. Jernbane historisk årbog 89: 36-41. Smørum, bane bøger.
Wind Skadhage, Povl (1995): Da Als havde jernbaner. Jernbanen 5/95: 148-149.
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