Vorgeschichte
Die Anbindung der dänischen Hauptstadt an die Bahnnetze der deutschen
Nachbarstaaten erforderte durch die Insellage Kopenhagens einige
technische Anstrengungen. Zwischen den Inseln Seeland und Falster
bestand schon früh die Verbindung Masnedø-Orehoved durch
Postdampfschiffe, aber erst 1872 eröffnete die
"Rostock Nyköbing Dampfschiffahrts Aktiengesellschaft"
in den Sommermonaten eine regelmäßige Linie über die
südliche Ostsee. 1883 wurde die
"Deutsch-Nordischer Lloyd, Eisenbahn- und
Dampfschiffs-Actien-Gesellschaft" mit dem Ziel gegründet,
die Reisezeiten zwischen Kopenhagen und Berlin zu verkürzen.
Hierzu wurde die Bahnlinie Warnemünde-Rostock-Neustrelitz
("Lloyd-Bahn") gebaut und so der Anschluß an die
vorhandene Verbindung Berlin-Hamburg hergestellt. Gleichzeitig baute
der Bankier C. F. Tietgen auf dänischer Seite die Strecke
Nykøbing-Gedser zum südlichsten Punkt Dänemarks.
Schließlich konnte 1886 die Fährverbindung
Warnemünde-Gedser mit Raddampfern aufgenommen werden.
Der Verkehr auf der Verbindung Warnemünde-Gedser wurde ab 1903 durch
den Einsatz von vier neuen Schraubendampfern belebt, die nun auch
Eisenbahnwagen überführen konnten. Ab 1907 bestand zweimal
wöchentlich sogar das Angebot, mit dem CIWL-Luxuszug "Danmarks
Ekspressen" in eleganten Schlafwagen zu reisen. Nach einem
eingeschränkten Betrieb während des ersten Weltkrieges
wurde die Ostseeverbindung ab 1920 erneut ausgebaut - jetzt mit der
Deutschen Reichsbahn (DRG) als Partner. Durch die modernen
Eisenbahnfähren "Danmark" und "Schwerin"
waren ausreichend Kapazitäten geschaffen, um erstmals auch die
Mitnahme von Kraftfahrzeugen anbieten zu können. Eine weitere
Beschleunigung des Verkehrs brachte 1937 die "Storstrømsbroen"
zwischen Seeland und Falster. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges
wurde der Betrieb auf Post- und Militärtransporte beschränkt
und 1945 ganz eingestellt.
Neptun Express
Nach dem Zweiten Weltkrieg
und der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
1949 begann der Fährverkehr Warnemünde-Gedser
nur zögerlich. Zunächst wurden nur einzelne Kurswagen
Kopenhagen-Berlin-Prag trajektiert und ab 1957 wurde die
Nachtzugverbindung "Østersø Express"
Kopenhagen-Berlin Ostbahnhof mit durchgehenden Wagen eingerichtet.
Erst als die Deutsche Reichsbahn (DR) 1963 die Eisenbahnfähre
"M/F Warnemünde" zum Ausgleich der
Transportleistungen der "Danmark" zur Verfügung
hatte, konnte eine regelmäßige Verbindung
Kopenhagen-Berlin aufgebaut werden. Die Initiative hierbei ging von
der DDR aus, die mangels allgemeiner staatlicher Anerkennung auf
international prestigeträchtige Verbindungen bedacht war.
Demgegenüber bestanden von dänischer Seite Vorbehalte, um
Mißverständnisse in Bezug auf den diplomatischen Status
der DDR zu vermeiden.
Bereits ab 1960 betrieb die DR eine Verbindung mit Schnelltriebwagen
Berlin-Warnemünde unter dem Namen "Neptun" mit zweiteiligen Triebwagen
der Bauart
SVT 137 "Hamburg".
Die Reisenden hatten Anschluß zur Ostseefähre und auf
dänischer Seite zum Schnellzug Gedser-Kopenhagen. Zum Start des
Sommerfahrplans am 31. Mai 1964 lief dann der erste durchgehende Zug
Berlin-Kopenhagen als "Neptun Express", wobei die Linie
über den kopenhagener Hauptbahnhof hinaus in den Freihafen
geführt wurde und damit direkten Anschluß zur Malmö-Fähre
bot. Die DR nutzte diesen Anlaß, um den Prototyp ihres neuen,
vierteiligen Paradezuges
VT 18.16
auf seine erste Auslandsreise zu schicken. Als Ergänzung kam ein weiterer dreiteiliger
Schnelltriebzug der Bauart
SVT 137 "Köln"
zum Einsatz. Täglich verkehrte ein Zug pro Richtung, wobei Züge
und Personal jeweils am Zielort blieben und am Folgetag in das
Heimatland zurückkehrten. Die restriktive Visumpolitik der DDR
hielt die Zahl der Durchgangsreisenden allerdings in engen Grenzen,
so daß die DR bald nur noch die kürzere Bauart "Köln"
einsetzte. Dagegen erfreute sich eine Hin- und Rückfahrt mit der
Fähre ohne Landgang bei deutschen und dänischen Ausflüglern
großer Beliebtheit.
Die DSB begann ihren
Beitrag zum "Neptun Express" 1968 mit dem Einsatz der
legendären "Lyntog"-Schnelltriebzüge. Hierzu
wurden die Garnituren
MS 401/402,
MS 403/404 und
MB 409/410 etwas
aufgehübscht und mit zwei weißen Zusatzleuchten ausgerüstet,
um der deutschen Signalordnung zu genügen. Ab 1971 wurden alle
"Neptun"-Züge ausschließlich mit
DSB-Fahrzeugen gefahren und im Sommer 1973 bis zum West-Berliner
Bahnhof "Berlin Zoologischer Garten" verlängert.
Die Reise des "Neptun
Express" durch den "Eisernen Vorhang" führte
zu einigen Besonderheiten. So wurden die Züge bei den Halten in
Warnemünde, Rostock und Berlin Ostbahnhof durch bewaffnetes
Personal abgeschirmt, um illegale Ausreisen von DDR-Bürgern zu
verhindern. Penible Kontrollen durch Zoll und Grenztruppen
verlängerten darüber hinaus die Fahrzeiten und schmälerten
den Reisegenuß. Bei der Fahrt auf DR-Gleisen wurde den
dänischen Lokführern ein deutscher Lotse beigestellt. Die
DSB setzte ihrerseits vorzugsweise ältere Mitarbeiter mit guten
deutschen Sprachkenntnissen ein. Gelegentlich begleitete zusätzliche
ein Maschinist die dänischen Züge, um die Funktionalität
der betagten Fahrzeuge zu gewährleisten. Die Übernachtung
von Zug und Personal erfolgte im Bahnbetriebswerk Karlshorst, wobei
sich auch freundschaftliche Kontakte zwischen dänischen und
deutschen Kollegen entwickelten, die zu privaten Einladungen führten.
Umgekehrt erfolgte die Übernachtung der DR-Züge in
Kopenhagen im Depot "Helgoland".
Zum Winterfahrplan 1973
wurden die Schnelltriebwagen durch lokbespannte Züge ersetzt.
Der "Neptun Express" bestand nun aus zwei bis drei
Reisezugwagen und wurde zunächst mit Dampfloks der Reihe 03.10
befördert, später kamen Dieselloks der Reihen 120 und 132
zum Einsatz. Ab 1979 wurden den Zügen zwischen Berlin und
Rostock zusätzliche Binnenwagen beigestellt. Die
Elektrifizierung der Strecke Berlin-Warnemünde erfolgte 1984-86,
so daß nun auf dem Streckenteil der DR auch E-Loks eingesetzt
werden konnten. Auf der dänischen Seite wurden die Wagen an
regionale Züge gekuppelt und liefen in deren Fahrplan.
Die als "Wende"
bezeichneten Umwälzungen in der DDR und die Wiedervereinigung der
beiden deutschen Staaten führte zu einer erheblichen Steigerung
des Verkehrsaufkommens über die Ostsee zwischen Dänemark
und Deutschland. Da insbesondere der Kfz-Verkehr zunahm, wurde 1995
der Fähranleger von Warnemünde nach Rostock verlegt, um
eine bessere Anbindung an das Autobahnnetz zu ermöglichen. In
Rostock Überseehafen bestand allerdings keine Verlademöglichkeit
für Schienenfahrzeuge, so daß der durchgehende Bahnbetrieb
beendet wurde. Die letzte Trajektierung über Warnemünde
wurde am 23. September 1995 mit dem Einsatz des Museums-Triebzuges
SVT 18.16.10 feierlich begangen. Der Name "Neptun"
überlebte kurzzeitig für den Teilzug Berlin-Lübeck des
Eurocity EC 187, der Ende 1996 eingestellt wurde. Im selben Zeitraum
wurde auch die Nachtverbindung "Østersø Express"
beendet.
Die Ostseefähren heute
Die deutsche Wiedervereinigung führte auch zu einer grundlegenden
Umstrukturierung der Fährbetriebe auf der Ostsee. Zum 1. Januar
1994 schlossen sich die Staatsbahnen "Deutsche Bundesbahn"
(DB) und "Deutsche Reichsbahn" (DR) zur "Deutsche
Bahn AG" (DBAG) zusammen, die Fährbetriebe des
Unternehmens wurden in der "Deutsche Fährgesellschaft
Ostsee" (DFO) vereint. Auf der dänischen Seite wurde der
Fährbetrieb 1995 als "DSB Rederi A/S" aus der
Staatsbahn ausgegliedert und 1997 in "Scandlines Danmark A/S"
umfirmiert. DFO und Scandlines wurden 1998 zur Scandlines AG mit Sitz
in Rostock fusioniert, die Eigner DBAG sowie das dänische
Transport- und Energieministerium veräußerten ihre Anteile
2007 an eine Investorengruppe. Scandlines dominiert den Fährverkehr
auf der südlichen Ostsee zwischen Deutschland, Dänemark und
Schweden, darüber hinaus werden Verbindungen nach Finnland und
zu den baltischen Staaten angeboten.
Nachsatz
Seit der Einstellung der
direkten Eisenbahnverbindung Warnemünde-Gedser gab es immer
wieder politische Initiativen zur Wiederbelebung der Route, zumal im
Rostocker Überseehafen ein Gleisanschluß mit wenig Aufwand
zu realisieren wäre. 2002 startete das Nahverkehrsunternehmen Connex
(seit 2006 Veolia Verkehr) intensive Planungen zur Aufnahme einer
neuen Bahnverbindung, die aber nicht umgesetzt wurden. Mit dem
Staatsvertrag von 2008 zum Brückenschlag über den Fehmarnsund
dürften alle weiteren Ansätze für einen erneuten
Bahnverkehr über Gedser erledigt sein. Das Bauvorhaben sieht
eine zweigleisige Bahnverbindung und eine vierspurige Autobahn
zwischen Puttgarden und Rødbyhavn vor,
die Realisierung ist für den Zeitraum 2012-18 geplant.
Anfang 2009 wurde beschlossen, die Gedser-Verbindung am
12. Dezember des Jahres endgültig stillzulegen.
Auf dänischer Seite wurde der Bahnhof Gedser zuletzt nur noch ein- oder zweimal täglich
bedient, da es der DSB nicht gelang, die unrentable Strecke abzugeben. Wegen der
nahezu nicht vorhandenen Auslastung wurde die Verbindung scherzhaft als "Spøgelsestoget"
(Geisterzug) bezeichnet. Das stillgelegte Areal des Bahnbetriebswerkes beherbergt heute das Eisenbahnmuseum
"
Gedser Remise".
Quellen:
Bruun-Petersen, Jens & Poulsen, John (2003): Internationale tog via Gedser. Smørum: bane bøger.
Christensen, John (2003): Afsked med Frichs lyntoget. Jernbanen 5/2003: 48-51.
N.N. (1964): Neptun-Express. Vingehjulet 21. årgang nr. 11: 141-143.
Poulsen, John (1998): 1973: De gamle lyntog forsvinder. Jernbanehistorisk årbog 1998: 60-64.
Scandlines: www.scandlines.de
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