Die Deutsche Reichsbahn (DR) begann Ende der 1950er Jahre mit der
Planung eines neuen Schnelltriebzuges für internationale
Verbindungen. Das Prestigeprojekt sollte insbesondere das
nichtsozialistische Ausland mit der Leistungsfähigkeit der
DDR-Industrie beeindrucken. Die Entwicklung erfolgte bei der "VEB
Waggonbau Görlitz", einer Nachfolgerin der WUMAG, die schon
die ersten "Fliegenden Züge" der DRG gebaut hatte. Die
Gestaltung erfolgte unter Mitwirkung des "Instituts für Angewandte Kunst",
Berlin-Pankow. Es handelte sich um dieselhydraulische Triebzüge mit
Maschinenwagen an den Enden und einer variablen Anzahl von 2 bis 4
Mittelwagen. Entsprechend der installierten Leistung von 1.800 PS und
einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h erhielten die Züge
die Typbezeichnung
DR VT 18.16 (ab 1970:
DR 175, ab 1992:
DB 675), sie
wurden allgemein als "SVT Görlitz" bekannt. Ein
vierteiliger Prototyp wurde 1963 auf der Leipziger Frühjahrsmesse
vorgestellt, die Produktion der überarbeiteten Serienausführung
erfolgte 1965-68. Insgesamt wurden 8 vierteilige Triebzüge sowie
2 Reserve-VT und 6 zusätzliche VM ausgeliefert.
Die Antriebsanlage der VT 18.16 war vollständig im
Enddrehgestell der Maschinenwagen untergebracht und bestand aus einem
Dieselmotor sowie einem hydraulischen Getriebe, das über
Gelenkwellen auf die beiden Achsen des Drehgestells wirkte. Die
12-Zylinder V-Dieselmotoren mit Abgasturbolader wurden von der "VEB
Kühlautomat Berlin-Johannistal" geliefert und leisteten 900
PS beim Prototyp bzw. 1.000 PS in der Serienversion. Die
Dreiwandlerströmungsgetriebe vom Typ L 306 RT stammten von
"Voith St. Pölten", da die DDR-Industrie keine
entsprechenden Aggregate aus Eigenfertigung liefern konnte. Die
Großtauschteile des Antriebsstranges entsprachen denen der
Lokbaureihen 118 und 110. Die Kupplung erfolgte mit selbsttätigen
Mittelpufferkupplungen der Bauart Scharfenberg, die Züge der
Serienausführung ließen sich in Doppeltraktion betreiben.
Die Wagenkästen der VT 18.16 waren als selbstragende
Schweißkonstruktion ausgeführt, die Stirnseiten waren
aerodynamisch gestaltet mit einem lang ausgezogenen Vorbau und einer
hochgesetzten Führerkanzel. Der Fahrgastbereich der VT war als
Großraum der 2. Kl. in 2+2 Sitzteilung und Mittelgang
eingerichtet. Eine Besonderheit waren die Sitze, die von denen des
Strahlverkehrsflugzeugs Typ 152 abgeleitet waren und sich in
Fahrtrichtung drehen ließen. Die Mittelwagen waren
unterschiedlich mit Abteilen in 1. und 2. Kl. sowie Seitengang
eingerichtet, hinzu kam ein Speisewagen. Die ersten beiden Triebzüge
erhielten zunächst ein weinrotes Farbschema, ab dem dritten Triebzug
wurden die Fahrzeuge in rot/elfenbein gestaltet.
Alle VT 18.16 wurden zum 15. April 1964 offiziell in Dienst
gestellt und waren im Bw Berlin Karlshorst beheimatet. Die ersten
Regeleinsätze des VT 18.16.01 erfolgten ab 31. Mai 1964 als
Neptun auf der neu eingerichteten Verbindung
Berlin-Kopenhagen. Der Zug wurde von einem deutschen Lokführer gefahren,
dem in Dänemark ein Lotse von der DSB beigestellt wurde. Der Einsatz der VT 18.16
wurde auf weitere internationale Verbindungen ausgedehnt:
"Neptun" |
1964-71 |
Berlin - Kopenhagen (Seestrecke Warnemünde - Gedser) |
"Vindobona" |
1964-69, 1972-79 |
Berlin - Dresden - Prag - Wien |
"Berlinaren" |
1968-70 |
Berlin - Malmö (Seestrecke Sassnitz - Trelleborg) |
"Karlex" |
1969-81 |
Berlin - Leipzig - Plauen - Karlovy Vary (Karlsbad) |
"Karola" |
1972-90 |
Leipzig - Plauen - Karlovy Vary (Karlsbad) |
Hinzu kamen Inlandsverbindungen von Berlin nach Leipzig, Rostock
und Magdeburg sowie Sonderfahrten zur Leipziger Messe u.ä. Ab den
1980er Jahren wurden die Triebzüge durch lokbespannte Wagenzüge
mit höherem Sitzplatzangebot und besserer Wirtschaftlichkeit abgelöst.
Der "Sorbenexpress" Berlin-Hoyerswerda-Bautzen wurde 1985 als letzte fahrplanmässige
Verbindung des VT 18.16 eingestellt. Die Triebzüge wurden 1970 als
175 001-019 umgezeichnet. Die letzte Garnitur lief ab 1992 als
und blieb im Bestand des DB Museums Nürrnberg erhalten. Nach jahrelanger Abstellung u.a. im
BW Rummelsburg wurden die Fahrzeuge in das BW Dresden Altstadt
überführt, wo sie von der spendenfinanzierte Vereinigung "SVT Görlitz gGmbH"
wieder betriebsfähig aufgearbeitet wurden. Seit dem das "Bundesministerium
für Verkehr und digitale Infrastruktur" (BMVI) Ende 2020 hierfür € 4 Mio. bereitgestellt
hat, darf man auf Ergebnisse des Projekts "Ein Zug für Mitteldeutschland" sehr gespannt sein.
2022 wurde der Triebzug nach Halberstadt verlegt, wo die Instandsetzung
bei der Firma "VIS Verkehrs Industrie Systeme GmbH" abgeschlossen werden soll.
Als weitere Exponate blieben erhalten: 175 015-16 des DB Museums wird am Bahnhof Berlin-Lichtenberg
von einer Freizeitgruppe der Stiftung Bahn-Sozialwerk stationär betreut. 175 005-006 gelangte
1992 in den Besitz der "solaris Verwaltungs-GmbH" und wurde nach rollfähiger Aufarbeitung
als mobiler Showroom "Solaris-Express" genutzt. Ab 2007 war der Triebzug als Leihgabe beim
Eisenbahnmuseum Chemnitz-Hilbersdorf untergestellt und wurde 2024 an den neuen Aufstellort am
"Deutschen SPIELEmuseum" Chemnitz in der Neefestraße 78a überführt.
Technische
Daten DR VT 18.16 (Serienausführung, vierteilig): |
Anzahl |
8 |
Achsfolge |
B' 2' + 2' 2' + 2' 2' + 2' B' |
Länge über Puffer |
98.140 mm |
Motor |
2 x 12 KVD 18/21 A II, 12 Zylinder |
Leistung |
2 x 736 kW (1.000 PS) bei - U/min |
Kraftübertragung |
dieselhydraulisch |
Höchstgeschwindigkeit |
160 km/h (140 km/h wenn 6-teilig) |
Dienstgewicht |
214,4 t |
Sitzplätze |
140 + 23 im Speiser. |
Technische Daten DR VT 18.16, Waggons: |
|
VTa/b |
VMc |
VMd |
VMe |
Anzahl |
18 |
8 |
8 |
6 |
Hersteller |
VEB Görlitz |
VEB Görlitz |
VEB Görlitz |
VEB Görlitz |
Baujahr |
1963, 1965-68 |
1963, 1965-68 |
19 |
1967-68 |
Achsfolge |
B' 2' |
2' 2' |
2' 2' |
2' 2' |
Länge über Kupplung |
25.760 mm |
24.100 mm |
24.100 mm |
24.100 mm |
Drehzapfenabstand |
16.500 mm |
16.500 mm |
16.500 mm |
16.500 mm |
Achsstand im Maschinen- / Laufdrehgestell |
4.000 / 2.500 mm |
- / 2.500 mm |
- / 2.500 mm |
- / 2.500 mm |
Dienstgewicht |
- t |
- t |
- t |
- t |
Sitzplätze 1. / 2. Kl. |
- / 28 |
- / 12 + 23 Sitze im Speiser. |
36 / 24 |
- / 72 |
Einrichtung |
Maschinenr., Gepäk-/Postabt., Dienst-/Funkabt., Großr. 2. Kl., 2 WC |
3 Abt. 2. Kl., Speiser., Anrichte, Küche, 1 WC |
6 Abt. 1. Kl., 3 Abt. 2.Kl., 1 WC, Waschr. |
9 Abt. 2.Kl., 1 WC, Waschr., Heizkesselr. |
Abbildungen:
Quellen:
Bruun-Petersen, Jens & Poulsen, John (2003): Internationale tog via Gedser. Smørum: bane bøger
Eisenbahnfreunde Berlin: www.eisenbahnfreunde-berlin.net
Koschinski, Konrad (2001): TEE VT 11.5 & VT 18.16 (Bauart Görlitz). Eisenbahn Journal, Sonderausgabe 4/2001.
N. N. (2013): Schicker Zug. LOK MAGAZIN 04/13
Sächsisches Eisenbahnmuseum Chemnitz-Hilbersdorf: www.sem-chemnitz.de
SVT Görlitz GmbH: www.svt-görlitz.de
Zschech, Rainer (1980): Triebwagen deutscher Eisenbahnen, Band 2: VT und DT. Düsseldorf: alba Buchverlag GmbH & Co. KG
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