1922 gründete sich der
Union Internationale des Chemins de fer (UIC) mit dem Ziel der Verbesserung des
grenzübergreifenden Schienenverkehrs durch Standardisierungen. Eines der ersten Themen war die
Behandlung von Güterwagen außerhalb ihres Heimatlandes. Mit dem UIC-Regelwerk
Regolamento Internazionale Veicoli (RIV) von 1922 gab es nun allgemeingültige
technische Standards, Ladeprofile und eine einheitliche Abwicklung bei der gegenseitigen
Nutzung von Güterwagen. Die den Regeln entsprechenden Waggons wurden durch die Anschrift
"RIV" gekennzeichnet und durften ohne weitere Zulassung im gesamten RIV-Raum verkehren.
Güterwagen fremder Bahnverwaltungen waren umgehend zurück zu senden, da das Gastland sonst zu
Ausgleichszahlungen verpflichtet war. Als umständlich erwiesen sich allerdings die ständigen
Transfers von Devisen und die Ersatzteilversorgung im Schadensfall.
Während der Aufbauphase nach dem 2. Weltkrieg erfuhr der grenzüberschreitende Güteraustausch in
Westeuropa ein lebhaftes Wachstum und zeigte die Grenzen des RIV-Systems auf. Die Rückführung der
Güterwagen zu ihren heimatlichen Bahnverwaltungen belasteten die Transportkapazitäten mit
zahlreichen Leerfahrten bei einem gleichzeitigen Mangel an Waggons. Vor diesem Hintergrund
vereinbarten die SNCF und die DB zum 01. Mai 1951 den gemeinsamen
EUROP-Wagenpool,
der aus 100.000 offenen und gedeckten RIV-Güterwagen bestand. Die Waggons verblieben im Besitz
ihrer jeweiligen Bahnverwaltung, konnten aber nun von den EUROP-Mitgliedern nach Bedarf wie eigene
Wagen verwendet werden und erst bei einem Nettoüberschuß war das Gastland zu einer Kompensation
verpflichtet. Anfallende Reparaturen waren im Gastland auszuführen, lediglich alle 3 Jahre mußten
die Waggons zur Revision zu ihrer Heimatverwaltung zurfückkehren. Das Verfahren führte zu einer
erheblichen Reduktion der Leerfahrten und überzeugte auch andere westeuropäische Bahnverwaltungen,
so daß 1953 insgesamt 9 Bahnverwaltungen (DB, ÖBB, SNCB, DSB, SNCF, FS, CFL, NS, SBB)
mit rund 150.000 Waggons am EUROP-System teilnahmen. Lediglich bei den Flachwagen mit Rungen konnte keine
Einigkeit erzielt werden, da die ÖBB hier auf ihre eigenen Ansichten bestand. Die übrigen
Bahnverwaltungen schufen daher für diese Bauart einen eigenen Verbund unter der Bezeichnung
POOL.
Alle Wagen im EUROP-Pool waren mit einem neuen Anschriftenfeld markiert, das neben der eigenen Bahnverwaltung den
Schriftzug "
EUROP" in einem rechteckigen Rahmen zeigte. Mit der Einführung der
einheitlichen UIC-Gattungsbezeichnungen 1964 wurde diese auffällige Markierung durch die
einfache Anschrift "
RIV-EUROP" ersetzt, die sich bis 1968 allgemein durchsetzte. Zur Vereinheitlichung
des Wagenpools definierte die
UIC Standardgüterwagen, die den bunten Zoo nationaler Bauarten ersetzten.
Die ihrerzeit revolutionäre Idee eines europaweit einheitlichen Güterwagenpools verlor ab
den 1990er Jahren langsam an Strahlkraft. So wuchs der Bedarf an neuen Wagengattungen
für spezielle Aufgaben, für die es keinen UIC-Standard gab. Zu dem drängten mit der
Liberalisierung des Bahnverkehrs zusätzlich privatwirtschaftliche Waggonpools auf den Markt.
Schließlich wurde der EUROP-Wagenpool Ende 2002 bei einem Bestand von 77.000 Waggons aufgelöst.
Ein vergleichbares Abkommen existierte im Übrigen auch unter den im "Rat für gegenseitige
Wirtschaftshilfe" (RGW) zusammengeschlossenen osteuropäischen Staaten. Hier gab es
1964-90 den
Gemeinsamen Güterwagenpark (OPW), der unabhängig vom RIV-EUROP-Pool operierte.
1996 beschloß die EU die Ausarbeitung gemeinsamer Richtlinien für den Aufbau eines
Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V). Diese sollten die Infrastruktur
(Straßen, Eisenbahnstrecken, Binnenwasserstraßen, Häfen, Flughäfen, Navigationseinrichtungen,
Umschlaganlagen, Rohrleitungen) sowie die für den Betrieb dieser Infrastruktur notwendigen Dienstleistungen
vereinheitlichen. Ab Baujahr 2007 wurde an Güterwagen die Kennzeichnung RIV durch das Kürzel
TEN ersetzt,
das mit den Zusätzen
GE ("go everywhere") oder
CW ("compatible with") ergänzt wurde.
UIC Standardgüterwagen in Dänemark
Die "Union Internationale des Chemins de fer" (UIC) begleitete die Bildung des EUROP-Wagenpools mit Vorgaben
von Hauptabmessungen, Tragfähigkeit, Rauminhalt etc. für die häufigsten Wagentypen. Zunächst
wählten die Bahnverwaltungen Bestandswagen aus, die den UIC-Vorgaben weitgehend entsprachen. Es handelte
sich durchweg um zweiachsige Wagen, die für eine Geschwindigkeit von 100 km/h zugelassen waren,
erkennbar an der S-Markierung. Die Ersatzteilversorgung wurde durch die Standardisierung
einzelner Komponenten wie den Zug- und Stoßvorrichtungen, den Radsätzen sowie der Federn und
ihrer Aufhängungen erleichtert. Für künftige Neubeschaffungen definierte die UIC eigene
Standardmuster, die den bunten Zoo nationaler Bauarten durch europaweit einheitliche Typen
ersetzen sollten. An dieser Arbeit waren alle interessierten Bahnverwaltungen beteiligt, die
größten Beiträge leisteten die SNCF und die DB. Die Vorgaben wurden in den "UIC-Merkblättern"
festgeschrieben, deren Umsetzung im Detail durchaus Raum für nationale Freiheiten ließ. Das
UIC-Merkblatt 571-1 beschrieb entsprechende Güterwagen der Regelbauart mit 2 Radsätzen für
Gedeckte- und Offene Güterwagen, Flachwagen mit Rungen sowie Kühlwagen. Als Grundmuster
dienten jeweils nationale Muster, einzelne konstruktive Lösungen wurden in kontroverser
Diskussionen festgelegt, wie z.B. die Ventilationsöffnungen der Gedeckten Güterwagen:
Italien wünschte reichlich Luftaustausch im warmen Klima, wohingegen Dänemark und Norwegen
auf dichte Abdeckungen der Öffnungen gegen Regen und Schneetreiben bestanden. Ein weiterer
Beitrag der skandinavischen Länder betraf die Güterwagen mit Feststellbremse (Handbremse):
Zur Sicherheit der Bediener wurde diese von einer Bremserbühne aus betätigt, was eine
Verlängerung des Wagenrahmens erforderte und so unnötig Platz auf den knapp bemessenen
Fährdecks belegte. Stattdessen schlug man als optionale Alternative eine hochgesetzte
Bühne über den Puffern mit seitlichen Leitern vor, wie sie vergleichbar auch bei Kühlwagen
als Zugang zu den Eisluken am Dach verwendet wurde. Auf diese Weise blieb der Sicherheitsbereich
zwischen den Puffern erhalten, der schon seit 1887 den Arbeitsbereich des Rangierpersonals als
"Berner Raum" schützte. In den folgenden Jahrzehnten beschrieben weitere Ausgaben
der UIC-Merkblätter zusätzliche Bauarten wie Schüttgut- und Schiebewandwagen oder die weit
verbreiteten Offenen Güterwagen der Gattung Eaos mit Drehgestellen.
Die DSB beteiligte sich am EUROP-Wagenpool anfänglich mit 200 Gedeckten Güterwagen der Bauart
HD sowie 400 offenen Güterwagen der Bauart
PB. Bei beiden Gattungen handelte es sich um
Bestandsbauarten, die halbwegs zu den UIC-Vorgaben paßten und Anfang
der 1960er Jahre durch neue UIC-Standardwagen abgelöst wurden.
Über die Lebenszeit des EUROP-Systems beteiligte sich die DSB mit 11 eigenen Wagengattungen am
Waggon-Pool mit einem Spitzenwert von rund 4.500 Fahrzeugen am Ende der 1970er Jahre. 1990 kamen
dann noch offene Drehgestellwagen hinzu, die allerdings nur angemietet waren.
Folgende Wagengattungen stellte die DSB bereit:
Hinzu kamen ab 1960 insgesamt 320
Kühlwagen UIC Typ 1,
die bei der DB als Interfrigo-Privatwagen eingestellt waren. Die DSB mietete die Waggons beim
INTERFRIGO-Wagenpool an und nutze sie bis in
die 1970er Jahre für den internationalen Fleisch- und Fischtransport.
Die UIC-Richtlinien verkörperten den gesamten konstruktiven Erfahrungsschatz des Waggonbaus
Westeuropas und bedeuteten für die Scandia A/S als Dänemarks einzigen Hersteller einen
erheblichen Technologiespung. Merkmale der UIC-Standards fanden sich von nun an bei allen
neukonstruierten Güterwagen des Herstellers bis hin zu den weitgehend UIC-konformen
Gattungen
I und
IKA,
die gar nicht für den EUROP-Pool bestimmt waren.
Quellen:
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Forum Train Europe FTE: www.forumtraineurope.eu
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Jahren - Teil 1 - Die Güterwagen in den Sechzigern. FREMO Hp1 Modellbahn - 3. Quartal 2004, www.fremo-net.eu
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