A/S Vulcan C. F. Kiehn - Unternehmen

Grüdungsphase:
Der Unternehmer Peter August Hoffmann gründete 1874 die "Maribo Støberi og Maskinfabrik" in Maribo auf Lolland. Das Unternehmen fertigte verschiedene Eisenerzeugnisse für die landwirtschaftlichen Betriebe der Region. Ferner wurden neue und gebrauchte Landmaschinen gehandelt und Reparaturleistungen angeboten. Als Firmensitz erwarb P. A. Hoffmann in Maribo ein Gebäude in der Vestergade 15 am Lilletorv, in dem zuvor "H. C. Krøyers Brændevinsbrænderi" ansässig war. Dem Unternehmen blieb der wirtschaftliche Erfolg versagt und so wurde es nach dem Konkurs von M. Høyer 1881 als "Maribo Jærnstøberi" weiter betrieben. Einige Jahre später übernahm der Maschinenfabrikant Jens Jensen und der Kaufmann Jørgen Jensen die Firma. Das Sortiment wurde nun um Anlagen für Meiereibetriebe erweitert, da sich zu dieser Zeit die Meiereikooperativen in Dänemark rasant entwickelten. Aus dieser Zeit scheint auch die Namensgebung "Vulcan" für das Unternehmen zu stammen, das 1886 eine Belegschaft von 29 Mitarbeitern beschäftigte und damit der drittgrößte industrielle Arbeitgeber der Region war.

C. F. Kiehn:
Zum 1. Januar 1894 wurde Vulcan von dem deutschstämmigen Christian Friedrich Kiehn übernommen, der das Unternehmen neu auf den Eisenbahnbau ausrichtete. Hier zeichneten sich erhebliche Möglichkeiten ab, da die aufstrebende Zuckerindustrie massiv auf die Anlage schmalspuriger Rübenbahnen setzte. Weiterhin expandierten die Straßenbahnnetze und 1894 trat ein Gesetz in Kraft, das Investitionen in neue Privatbahnen großzügig förderte. C. F. Kiehn stellte das Vulcan-Produktportfolio entsprechend um und ließ nun Waggons, Schienenmaterial und Eisenbahnzubehör fertigen. Zusätzlich sicherte er sich die alleinigen Vertriebsrechte für Lokomotiven der "Arnold Jung Lokomotivfabrik GmbH". Nennenswerte Aufträge konnten von den Zuckerfabriken, verschiedenen Privatbahnen und der DSB gewonnen werden. Ein weiterer Kunde war die 1898 gegründete "Frederiksberg Sporvejs- og Elektricitetsselskab". Ab 1900 bot Vulcan Dampfloks aus eigener Produktion an. Alle Anstrengungen zur Gewinnung von Exportaufträgen blieben dagegen ohne Erfolg.

Aktiengesellschaft:
Die stürmische Entwicklung des Eisenbahngeschäfts überstieg schon bald die Kapazitäten des Stammwerkes am Lilletorv in Maribo und erforderte eine Expansion. Die nötigen Mittel hierzu beschaffte C. F. Kiehn, indem er sein Unternehmen 1897 in die Aktiengesellschaft "A/S Vulcan C. F. Kiehn" wandelte, deren Kapital er zwei Jahre später durch die Ausgabe weiterer Aktien abermals erhöhte. 1896 wurde neuer Grund im Gebiet Nørremark nördlich des Bahnhofs von Maribo erworben. Hier entstand eine vergleichsweise moderne Fabrik mit Gleisanschluß zur "Lollandsbanen" (LJ). Am Stammsitz Lilletorv wurde ein neues, repräsentatives Verwaltungsgebäude errichtet. Schließlich wurde 1897-1903 eine Arbeitersiedlung in der Kiehnsgade (heute Skimminge) gebaut, um qualifizierte Mitarbeiter durch günstige Wohnbedingungen an das Unternehmen zu binden. Auch die Personalgröße folgte den neuen Zeiten: 1894 zählte die Vulcan-Belegschaft 16 Mitarbeiter, 1900 war diese Zahl auf rund 350 angewachsen.

C. F. Kiehn führte seine A/S Vulcan mit einem ausgeprägten Selbstbewußtsein und bekundete wenig Interesse an abweichenden Meinungen. Für neue Aufträge unterbot er Mitbewerber und akzeptierte Lieferfristen, die sein Werk nicht einhalten konnte. Bei Reklamationen neigte er dazu dem Kunden nahezulegen, den Fehler bei sich selbst zu suchen. So schaffte er es auch, die DSB als größten Abnehmer von Vulcan-Waggons nachhaltig zu verärgern. Ähnlich rigoros beschied er arbeitsrechtliche Forderungen seiner Belegschaft, was einen Wechsel von Streiks und Aussperrungen zur Folge hatte. Letztendlich führte C. F. Kiehns Führungsstil zu deutlichen Verlusten, woraufhin er 1902 von seinem Posten entbunden wurde. Er zog sich nach Güstrow zurück, wo er seit 1901 die "Mecklenburgische Maschinen- und Wagenbau AG" besaß, mit der er letztendlich in Konkurs ging.

Niedergang:
Auch nach dem Weggang von C. F. Kiehn blieb die A/S Vulcan unter Druck. Bei den Lokomotiven konnten deutsche Hersteller die dänische Industrie dramatisch unterbieten. Im Bereich der Waggons herrschte ein ständiger Wettbewerb mit dem großen Rivalen A/S Scandia aus Randers. Letztendlich geriet die Existenz des Unternehmens ganz in die Abhängigkeit von der DSB als einzigem Großkunden, deren Bestellungen im Finanzjahr 1905-06 rund 92 % des Umsatzes ausmachten. Neben diesen markttypischen Schwierigkeiten formierten sich aber auch Widerstände aus einer ganz anderen Richtung: Die großen dänischen Finanzhäuser waren bestrebt, die zahlreichen Kleinunternehmen des Landes zu schlagkräftigen Einheiten zusammen zu führen, um international konkurrenzfähig zu werden. So geriet auch die A/S Vulcan ins Visier von "Den Danske Landmandsbank" (heute "Danske Bank"). Hier war man der Ansicht, daß sich in Dänemark nur ein Unternehmen mit dem Waggonbau beschäftigen sollte, wobei die A/S Scandia die besseren Voraussetzungen mitbrachte. Den Danske Landmandsbank erwarb nennenswerter Aktienpakete beider Unternehmen und sicherte sich damit einen wesentlichen Einfluß auf das weitere Vorgehen. Im Mai 1906 beschlossen beide Häuser einen Zusammenschluß, wobei die A/S Vulcan faktisch zu einem externen Standort von A/S Scandia degradiert wurde. Kurz darauf wurde das Kapital von A/S Scandia erheblich durch die Ausgabe neuer Aktien erhöht und die Abwicklung der A/S Vulcan durchgesetzt. Am 7. Dezember 1906 schloß das Werk in Maribo zum letzten Mal seine Tore. Alle Maschinen, Materialien und auch die verbliebenen Aufträge wurden an A/S Scandia nach Randers überführt. Von den 125 verbliebenen Vulcan-Angestellten zogen rund 80 mit ihren Familien an den neuen Standort.


Übersicht
Teil 1: Unternehmen
Teil 2: Loks und Waggons
Teil 3: Standorte