Nakskov Skibsværft A/S

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Während des ersten Weltkrieges gingen unzählige Handelsschiffe durch U-Boot Attacken verloren und es wurde allgemein ein Boom von Schiffsneubauten für die Nachkriegszeit erwartet. So entstanden 1916 Pläne, den Bauplatz für Holzschiffe in Nakskov auf Lolland als moderne Werft auszubauen. Unterstützung für dieses Vorhaben kam von der Reederei "Østasiatiske Kompagni" (ØK), deren Gründer H. N. Andersen selbst aus dem kleinen Ort stammte. Die Anlage der "Nakskov Skibsværft" war 1918 weitgehend abgeschlossen und es konnte 1920 als erstes Schiff der Tanker "M/T Mexico" an die ØK abgeliefert werden. Das Unternehmen hatte zu dieser Zeit ca. 800 Mitarbeiter, für die eigens eine neue Wohnsiedlung angelegt worden war.

Das Auftragsvolumen des jungen Unternehmens entwickelte sich nicht so positiv wie erhofft und die ØK mußte ihrer Hauswerft mit Neubau- und Reparaturaufträgen aushelfen. In dieser angespannten Lage suchte man nach neuen Umsatzfeldern und wandte sich 1923 dem Bau von Dieselloks und -triebwagen zu. Als Motorlieferant stand die "A/S Holeby Dieselmotor Fabrik" bereit, deren Dieselmotoren sich bereits im maritimen Bereich bewährt hatten. Für den Einsatz in Eisenbahnfahrzeugen stand zunächst ein sechs-Zylinder Viertaktdiesel mit ca. 100 PS zur Verfügung, spätere Motoren waren leistungsstärker.

Die ersten Entwürfe für Triebfahrzeuge orientierten sich eng an der dieselelektrischen DEVA-Demonstrationslok, die 1923 bei der LJ erprobt wurde: Die Fahrzeuge hatten einen teakholzverkleideten Wagenkasten mit Führerständen an beiden Enden und die für Schweden typischen großen Lampengehäuse. Die Loks erhielten Lenkachsen, die Triebwagen wurden mit Drehgestellen ausgeführt. Nach diesem Muster wurden 1924 an die "Torrigbane" (MTJ) die beiden Triebwagen MTJ M 2-3 geliefert, die sich trotz schwacher Motorisierung gut bewährten. Eine landesweite Werbekampagne führte 1925 zur Bestellung von drei Lokomotiven für die "Nakskov-Rødby Jernbane" (NRJ) und die "Varde-Grinsted Jernbane" (VaGJ). Die Loks wurden im folgenden Jahr abgeliefert und gingen als NRJ M 4-5 und VaGJ M 1 in Dienst.

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1925 schloß die Nakskov Skibsværft einen folgenschweren Lizenzvertrag mit der schwedischen Nydqvist och Holm AB (NoHAB)) über die Verwendung hydraulischer Getriebe nach dem System "Nydqvist". Allgemein wurden von dieser Form der Kraftübertragung deutliche Einsparungen bei Gewicht und Kosten gegenüber der dieselelektrischen Transmission erwartet. Die Nakskov Skibsværft erhielt die Exklusivrechte am Nydquist-System für den dänischen Markt und für Siam (heute Thailand). Bei der Fertigung war folgende Aufteilung vereinbart: NoHAB lieferte die Fahrgestelle mit Getriebe und die Nakskov Skibsværft baute die Fahrzeugkästen nach NOHAB-Zeichnungen. Der Antrieb erfolgte über einen acht Zylinder Holeby-Dieselmotor mit einer Leistung von 200 PS. Die Konstruktion der Fahrzeuge entsprach durch den stählernen Fahrzeugkasten mit zwei Führerständen sowie durch den Antrieb über Blindwelle und Kuppelstangen den zeitgenössischen schwedischen E-Loks.

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1926 war die erste von drei bestellten dieselhydraulischen Loks als NPMB M 6 fertiggestellt. Die Erprobung der Maschine verlief so katastrophal, daß keine Abnahme erfolgte und alle Verträge annuliert wurden. Die Loks wurden zunächst auf dem Werksgelände in Nakskov abgestellt und schließlich an NOHAB übergeben, wo sie in den 1930er Jahren verschrottet wurden. Der größte Teil des finanziellen Verlustes ging zwar an NOHAB, aber Nakskov Skibsværft konnte nach diesem Debakel keine Bahnaufträge mehr gewinnen. Als auch ein von der DSB angeforderter Entwurf für eine 400 PS Diesellok erfolglos blieb, wurde das Eisenbahngeschäft 1928 gänzlich aufgegeben.

Die Nakskov Skibsværft begann in den 1930er Jahren wieder neue Geschäftsfelder zu erschließen, darunter Stahlkonstruktionen für größere Bauprojekte. Auf den zweiten Weltkrieg folgte eine Zeit der Modernisierung und voller Auftragsbücher. Zum 50-jährigen Bestehen 1966 zählte man 2.200 Mitarbeiter. Die Werft war der größte Arbeitgeber auf Lolland-Falster und bestimmte das Wirtschaftsleben der Region. Ab Mitte der 1970er Jahre begann der Niedergang des Unternehmens, das durch seine beengte geographische Lage im Nakskov Fjord den Trend zu immer größeren Schiffen nicht mitgehen konnte. Daran änderten auch verschiedene Aufträge für DSB-Fähren nichts. Schließlich entschied sich der Eigner ØK 1986 die Werft aufzugeben. Insgesamt hatte die Nakskov Skibsværft 234 Schiffsneubauten abgeliefert. Zunächst wurde das Unternehmen als Leihwerft weiter betrieben und schließlich geschlossen mit dramatischen Folgen für den lokalen Arbeitsmarkt. 2000 erwarb die damalige Nakskov Kommune das Gelände, das heute von der Lolland Kommune gehalten wird. Im Lauf der Jahre gelang die Ansiedlung einiger IT-Unternehmen sowie des Windturbinenherstellers Vestas.

Auf dem ehemaligen Werftgelände sind einige Gebäude erhalten, darunter das an der Hafenfront gelegene markante Verwaltungsgebäde von 1917 und einer der ehemals acht großen Drehkräne.

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Erhaltenes Fahrzeug:
Es blieb lediglich die Lok VaGJ M Nr. 1 erhalten, die beim "Struer Jernbaneklub" untergestellt wurde.

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Nach der Ausmusterung und Verschrottung der beiden Triebwagen MTJ M 2 und 3 fanden verschiedene Teile der Fahrzeuge weitere Verwendung. Dieser Umstand war der Mangelsituation während und nach der deutschen Besatzungszeit geschuldet, als Baumaterial und Beschaffungsmittel der Privatbahnen äußerst knapp waren: Der Wagenkasten von MTJ M 3 als Fahrradschuppen aufgestellt, während die Drehgestelle beider Triebwagen beim Bau der Diesellok SB M 6 und dem Personenwagen HP CL 30 Verwendung fanden. Schließlich wurde auch der Rahmen von MTJ M 2 für den kombinierten Pack- und Heizwagen LJ Ec 93 recycelt.


Einige Schiffsbauten der Nakskov Skibsværft:
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"M/T Mexico", 1920, ØK: Erstes in Dänemark gebautes Tankschiff.
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"Danmark", 1932, Ministeren for Søfart og Fiskeri: Staatliches Segelschulschiff.
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"M/S Jutlandia", 1934, Østasiatisk Kompagni A/S (ØK): Kombiniertes Fahrgast- Frachtschiff. Das Schiff erlangte größere Bekanntheit durch den Einsatz als Lazarettschiff der UN während des Koreakrieges.
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"M/S SELANDIA" und "M/S JUTLANDIA", 1971, Østasiatisk Kompagni A/S (ØK): Seinerzeit die weltweit schnellsten Frachtschiffe mit einer Höchstgeschwindigkeit von 26 kn.
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"M/V Prins Joachim", 1980 und "M/V Kronprins Frederik", 1981: Die Schwesterschiffe wurden als DSB-Eisenbahnfähren gebaut und befuhren für die Reederei Scandlines bis Ende 2015 die Linie Rostock-Gedser als reine Autofähren.
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"M/S Trekroner", 1983: Umbau eines RoRo-Schiffes als Eisenbahnfähre für die Øresundquerung der DanLink-Verbindung.

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Quellen:
Christensen, Peter & Poulsen, John (2005): Motor Materiel 6: Motormateriellet fra danske fabrikker før 1932. Smørum: bane bøger.
Kulturarvsstyrelsen: www.kulturarv.dk
Nakskov Lokalhistoriske arkiv: www.lokalarkiver.dk/nakskov
Poulsen, John, Hrsg. (1997): Privatbanerne gennem 150 år. Smørum: bane bøger.
Scandlines (2006): Ruter, færger og havne 2006.


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