Die DSB Reihe
P von 1907
zeigte sich mit ihrem geringen Adhäsionsgewicht schon bald nicht
mehr den steigenden Anforderungen im Reisezugdienst gewachsen.
Eine besondere Herausforderung stellte die Strecke Fredericia-Århus dar,
auf der Steigungen bis zu 10 ‰ bewältigt werden mußten. So
entschloß sich die DSB zur Beschaffung einer leistungfähigeren
Baureihe, die als Reihe R geführt werden sollte. Der neue
DSB-Maskindirektør A. Floor brach dabei mit der Tradition O.
F. A. Busses, indem er lediglich die Spezifikationen erarbeitete und
die eigentliche Konstruktion den Borsig Lokomotiv Werken in
Berlin-Tegel übertrug. Gefordert wurde eine Lok mit Überhitzer
und drei Kuppelachsen. Die zuvor verwendete Verbundtechnik wurde
zugunsten einer reinen Heißdampflok aufgegeben, die wesentlich
einfacher und günstiger zu warten war. Als Tender war der
DSB-Typ III zu verwenden, der sich bereits bei der Reihe P bewährt
hatte. Der Entwurf von Borsig orientierte sich an den preußischen
Mustern P 8 und S 10 und sah ein Triebwerk mit zwei Zylindern vor.
Die elegante Linienführung der Maschine wurde durch eine
langgezogene Verkleidung für Dampfdom und Sandkasten sowie durch
eine spitze Rauchkammertür betont. Ein weiteres Merkmal war die
zusätzliche Luke unter der Rauchkammertür zur Räumung
der selbstleerenden Rauchkammer.
Die ersten beiden Loks R
934 und R 935 wurden 1912 fertiggestellt und auf der Berliner
Ringbahn sowie verschiedenen dänischen Strecken erfolgreich
eprobt, woraufhin 10 weitere Loks geordert wurden. Die folgende Serie
von acht Loks konnte Borsig bedingt durch den ersten Weltkrieg
nicht mehr liefern, so daß dieser Auftrag an die "Schweizerische
Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur" (SLM) ging. Obwohl die Maschinen
bereits 1917 fertiggestellt waren, erfolgt ihre Auslieferung erst
1918 nach Kriegsende. Insgesamt überzeugte die Reihe R durch
gute Leistung und hohe Wirtschaftlichkeit. Allerdings verursachte das
Zweizylinder-Triebwerk einen unruhigen Lauf und damit Schäden an
Gestänge und Oberbau. Daher beauftragte die DSB eine
Weiterentwicklung mit drei Zylindern, bei der sich Borsig an der
preußischen S 10.2 orientierte. Die Neukonstruktion führte
zu Anpassungen bei den Kesseldimensionen und Achsständen sowie
aus Platzgründen zur Verwendung einer normalen Rauchkammer ohne
zusätzliche Luke zur Räumung. Borsig lieferte 1921 fünf
Loks dieser Variante der Reihe R. Fünf weitere Maschinen folgten
1924 von dem dänischen Unternehmen
A/S Frichs,
bei dem sich die DSB 1919 zur Abnahme von Dampfloks verpflichtet hatte.
Die Loks erbrachten die gleiche Leistung wie ihre Vorgänger
bei deutlich ruhigeren Laufeigenschaften.
Zur Differenzierung wurde
die zweizylindrige Ausführung als Reihe R I geführt und die
Version mit dem Drillingstriebwerk als R II. Die deutlichste
Möglichkeit zur Unterscheidung der Muster bot das Führerhaus:
Bei der R I war das Dach deutlicher gewölbt und die Traufkante
relativ niedrig. Die Oberkannte der Seitenfenster verlief in einem
flachen Bogen, die Stirnseite des Führerhauses war plan. Bei der
R II waren die Flächen der Stirnseite des Führerhauses
beiderseits des Kessels nach hinten abgeschrägt, so daß
die Führerstandsfenster zur besseren Streckensicht verbreitert
werden konnten. Bei den R II von Borsig waren die Seitenwände
des Führerstands geknickt und die Fensterflächen leicht zur
Fahrzeugmitte geneigt, die Seitenwände der Frichsloks waren
senkrecht. Während der Betriebszeit erfuhren die Loks nur wenige
Änderungen: Ab 1932 wurden Windleitbleche nachgerüstet und
einige Loks erhielten in den 1940er Jahren Rauchkammerverschlüsse
mit Vorreibern anstatt der Zentralverriegelung mit Handrad. Verschiedene
Umbauten an den Tendern vergrößerten das mitgeführte
Wasservolumen auf Kosten des Kohlevorrats.
Die Reihe R bewährte
sich als Schnellzulok, zeigte sich aber auch als leistungsfähige
Güterzuglok. Der Einsatz erfolgte vorwiegend in Jütland und
auf Fünen, lediglich einige Loks waren während der
deutschen Besatzungszeit auf Seeland stationiert. Ab 1954 wurden sie
zunehmend von den Dieselloks der Reihe MY in den Güterdienst
verdrängt. Die meisten Maschinen wurden in den 1960er Jahren
ausgemustert, einige blieben bis zum Ende der Dampflokära 1970 aktiv.
Museal erhaltene Fahrzeuge:
Danmarks Jernbanemuseum: DSB R 946 (R I, SLM), R 963 (R II, Frichs)
Technische Daten DSB R 934-963: |
|
R 934-953 (R I) |
R 954-963 (R II) |
Anzahl |
12 |
10 |
Hersteller |
Borsig/SLM |
Borsig/Frichs |
Baujahre |
1912-13/1917 |
1921/1924 |
Bauart, Steuerung |
2' C h2, Heusinger |
2' C h3, Heusinger |
Länge über Puffer |
19.165 mm |
19.165 mm |
Rostfläche |
2,62 m² |
2,62 m² |
Verdampfungsheizfläche |
155,4 m² |
135,0 m² |
Überhitzerfläche |
47,8 m² |
51,5 m² |
Kesselüberdruck |
12 atm |
12 atm |
Zylinder-Ø |
570 mm |
470 mm |
Kolbenhub |
670 mm |
670 mm |
Treib- und Kuppelrad-Ø |
1.866 mm |
1.866 mm |
Laufrad-Ø |
1.054 mm |
1.054 mm |
indizierte Leistung |
1.160 PS |
1.150 PS |
Zugkraft |
9.100 kg |
9.300 kg |
Höchstgeschwindigkeit |
100 km/h |
100 km/h |
Dienst- / Reibungsgewicht der Lok |
70,0 t / 48,0 t |
74,0 t / 50,7 t |
max. Achslast |
16,3 t |
16,9 t |
Tender: Achsfolge / Dienstgewicht |
4 / 48,4 t |
4 / 48,4 t |
Vorrat: Wasser / Kohle |
21,0 m³ / 6,0 t |
21,0 m³ / 6,0 t |
Abbildungen:
R I:
R II:
DSB R 963 (R II) wurde anläßlich der Beisetzung seiner Majestät, König Frederik IX
von Dänemark als Reserve für "Det kongelige båretog"
unter Dampf im Depot Korsør vorgehalten.
Zum Verbleib der einzelnen Loks s.
Fahrzeugliste
Quellen:
Andersen, Torben (2002): DSB litra R. Lokomotivet 72: 42-48.
Andersen, Torben (2004): Dansk Jernbanehistorie 1. Næstved: Lokomotivetīs forlag.
Bay, William (1977): Danmarks damplokomotiver. Herluf Andersens Forlag.
Dresler, Steffen (2008): DSB litra R, H og S. Særskrift nr. 29, Lokomotivets forlag.
Steffan, Hans (1913): 2 C Heißdampf-Schnellzuglokomotive Reihe R der kön. dänischen
Staatsbahnen. Die Lokomotive 10. Jahrgang, Heft 3: 49-52.
(DVD-Ausgabe 2007, Bahnmedien.at)
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