Steckbrief DSB R 934-963


Die DSB Reihe P von 1907 zeigte sich mit ihrem geringen Adhäsionsgewicht schon bald nicht mehr den steigenden Anforderungen im Reisezugdienst gewachsen. Eine besondere Herausforderung stellte die Strecke Fredericia-Århus dar, auf der Steigungen bis zu 10 ‰ bewältigt werden mußten. So entschloß sich die DSB zur Beschaffung einer leistungfähigeren Baureihe, die als Reihe R geführt werden sollte. Der neue DSB-Maskindirektør A. Floor brach dabei mit der Tradition O. F. A. Busses, indem er lediglich die Spezifikationen erarbeitete und die eigentliche Konstruktion den Borsig Lokomotiv Werken in Berlin-Tegel übertrug. Gefordert wurde eine Lok mit Überhitzer und drei Kuppelachsen. Die zuvor verwendete Verbundtechnik wurde zugunsten einer reinen Heißdampflok aufgegeben, die wesentlich einfacher und günstiger zu warten war. Als Tender war der DSB-Typ III zu verwenden, der sich bereits bei der Reihe P bewährt hatte. Der Entwurf von Borsig orientierte sich an den preußischen Mustern P 8 und S 10 und sah ein Triebwerk mit zwei Zylindern vor. Die elegante Linienführung der Maschine wurde durch eine langgezogene Verkleidung für Dampfdom und Sandkasten sowie durch eine spitze Rauchkammertür betont. Ein weiteres Merkmal war die zusätzliche Luke unter der Rauchkammertür zur Räumung der selbstleerenden Rauchkammer.

Die ersten beiden Loks R 934 und R 935 wurden 1912 fertiggestellt und auf der Berliner Ringbahn sowie verschiedenen dänischen Strecken erfolgreich eprobt, woraufhin 10 weitere Loks geordert wurden. Die folgende Serie von acht Loks konnte Borsig bedingt durch den ersten Weltkrieg nicht mehr liefern, so daß dieser Auftrag an die "Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur" (SLM) ging. Obwohl die Maschinen bereits 1917 fertiggestellt waren, erfolgt ihre Auslieferung erst 1918 nach Kriegsende. Insgesamt überzeugte die Reihe R durch gute Leistung und hohe Wirtschaftlichkeit. Allerdings verursachte das Zweizylinder-Triebwerk einen unruhigen Lauf und damit Schäden an Gestänge und Oberbau. Daher beauftragte die DSB eine Weiterentwicklung mit drei Zylindern, bei der sich Borsig an der preußischen S 10.2 orientierte. Die Neukonstruktion führte zu Anpassungen bei den Kesseldimensionen und Achsständen sowie aus Platzgründen zur Verwendung einer normalen Rauchkammer ohne zusätzliche Luke zur Räumung. Borsig lieferte 1921 fünf Loks dieser Variante der Reihe R. Fünf weitere Maschinen folgten 1924 von dem dänischen Unternehmen A/S Frichs, bei dem sich die DSB 1919 zur Abnahme von Dampfloks verpflichtet hatte. Die Loks erbrachten die gleiche Leistung wie ihre Vorgänger bei deutlich ruhigeren Laufeigenschaften.

Zur Differenzierung wurde die zweizylindrige Ausführung als Reihe R I geführt und die Version mit dem Drillingstriebwerk als R II. Die deutlichste Möglichkeit zur Unterscheidung der Muster bot das Führerhaus: Bei der R I war das Dach deutlicher gewölbt und die Traufkante relativ niedrig. Die Oberkannte der Seitenfenster verlief in einem flachen Bogen, die Stirnseite des Führerhauses war plan. Bei der R II waren die Flächen der Stirnseite des Führerhauses beiderseits des Kessels nach hinten abgeschrägt, so daß die Führerstandsfenster zur besseren Streckensicht verbreitert werden konnten. Bei den R II von Borsig waren die Seitenwände des Führerstands geknickt und die Fensterflächen leicht zur Fahrzeugmitte geneigt, die Seitenwände der Frichsloks waren senkrecht. Während der Betriebszeit erfuhren die Loks nur wenige Änderungen: Ab 1932 wurden Windleitbleche nachgerüstet und einige Loks erhielten in den 1940er Jahren Rauchkammerverschlüsse mit Vorreibern anstatt der Zentralverriegelung mit Handrad. Verschiedene Umbauten an den Tendern vergrößerten das mitgeführte Wasservolumen auf Kosten des Kohlevorrats.

Die Reihe R bewährte sich als Schnellzulok, zeigte sich aber auch als leistungsfähige Güterzuglok. Der Einsatz erfolgte vorwiegend in Jütland und auf Fünen, lediglich einige Loks waren während der deutschen Besatzungszeit auf Seeland stationiert. Ab 1954 wurden sie zunehmend von den Dieselloks der Reihe MY in den Güterdienst verdrängt. Die meisten Maschinen wurden in den 1960er Jahren ausgemustert, einige blieben bis zum Ende der Dampflokära 1970 aktiv.


Museal erhaltene Fahrzeuge:
Danmarks Jernbanemuseum: DSB R 946 (R I, SLM), R 963 (R II, Frichs)



Technische Daten DSB R 934-963:
R 934-953 (R I) R 954-963 (R II)
Anzahl 12 10
Hersteller Borsig/SLM Borsig/Frichs
Baujahre 1912-13/1917 1921/1924
Bauart, Steuerung 2' C h2, Heusinger 2' C h3, Heusinger
Länge über Puffer 19.165 mm 19.165 mm
Rostfläche 2,62 m² 2,62 m²
Verdampfungsheizfläche 155,4 m² 135,0 m²
Überhitzerfläche 47,8 m² 51,5 m²
Kesselüberdruck 12 atm 12 atm
Zylinder-Ø 570 mm 470 mm
Kolbenhub 670 mm 670 mm
Treib- und Kuppelrad-Ø 1.866 mm 1.866 mm
Laufrad-Ø 1.054 mm 1.054 mm
indizierte Leistung 1.160 PS 1.150 PS
Zugkraft 9.100 kg 9.300 kg
Höchstgeschwindigkeit 100 km/h 100 km/h
Dienst- / Reibungsgewicht der Lok 70,0 t / 48,0 t 74,0 t / 50,7 t
max. Achslast 16,3 t 16,9 t
Tender: Achsfolge / Dienstgewicht 4 / 48,4 t 4 / 48,4 t
Vorrat: Wasser / Kohle 21,0 m³ / 6,0 t 21,0 m³ / 6,0 t



Abbildungen:

R I:

DK9689 DK13019 DK9105

DK3204 DK3202

R II:

DK13730 DK11552 DK13229 DK13287 DK13273 DK8434

DK1932 DK1933 DK1934

DK1931 DK3421 DK7790 DK7791


DSB R 963 (R II) wurde anläßlich der Beisetzung seiner Majestät, König Frederik IX von Dänemark als Reserve für "Det kongelige båretog" unter Dampf im Depot Korsør vorgehalten.

DK7410 DK7411 DK7412 DK7413


Zum Verbleib der einzelnen Loks s. Fahrzeugliste


Quellen:
Andersen, Torben (2002): DSB litra R. Lokomotivet 72: 42-48.
Andersen, Torben (2004): Dansk Jernbanehistorie 1. Næstved: Lokomotivetīs forlag.
Bay, William (1977): Danmarks damplokomotiver. Herluf Andersens Forlag.
Dresler, Steffen (2008): DSB litra R, H og S. Særskrift nr. 29, Lokomotivets forlag.
Steffan, Hans (1913): 2 C Heißdampf-Schnellzuglokomotive Reihe R der kön. dänischen Staatsbahnen. Die Lokomotive 10. Jahrgang, Heft 3: 49-52. (DVD-Ausgabe 2007, Bahnmedien.at)


Zur Fahrzeug-Übersicht