Die Einführung schwerer, vierachsiger Personenwagen um 1900 überforderte die
Loks der DSB und die Zugförderung war oft nur in teurer
Doppeltraktion zu bewältigen. Daher veranlaßte der DSB
"Maskindirektør" O. F. A. Busse d. J. 1905 die
Entwicklung einer leistungsfähigen 2' B 1'
"Atlantic"-Schnellzuglok. Als Vorbilder dienten
verschiedene europäische und amerikanische Muster. Obwohl in der
Literatur die gesamte Konstruktion häufig O. F. A. Busse allein
zugeschrieben wurde, hatten seine Ingenieure H. G. Dorph und R. Olsen
wesentlichen Anteil an der Entwicklung, insbesondere bei der
gelungenen Dimensionierung des Kessels. Zu Recht gilt die Reihe P als
schönste Dampflok Dänemarks.
Die Reihe P erhielt als erste europäische Schnellzuglok ein
Vierzylinder-Verbundtriebwerk nach dem amerikanischen
"Vauclain"-System. Die Verbundtechnik erreichte eine
höhere Effektivität als die einfache Dampfdehnung,
erforderte aber eine komplexere Konstruktion und erfahrenes Personal.
Die innenliegenden Hochdruckzylinder wirkten auf die erste
Kuppelachse, die außenliegenden Niederdruckzylinder trieben die
zweite Kuppelachse an. Die innenliegende Heusingersteuerung bewegte
zwei Kolbenschieber, die je einen Satz Hoch- und Niederdruckzylinder
kontrollierten. Bei der Anfahrt konnten auch die Niederdruckzylinder
mit Frischdampf beaufschlagt werden, wobei eine Leistungssteigerung
von 20 % nachgewiesen wurde. Der Kessel der Reihe P erweiterte sich
nach hinten konisch, um den breiten Stehkessel aufzunehmen. Die
Feuerbüchse war mit zwei Türen ausgestattet, so daß
die Loks anfänglich mit zwei Heizern gefahren wurden. Das
Führerhaus und die Rauchkammertür waren windschnittig
ausgeführt und verliehen den Maschinen eine elegante
Erscheinung. Der vierachsige Tender erhielt einen starren Rahmen,
wobei die erste und dritte Achse nach dem Gölsdorfschen System
mit Seitenspiel versehen waren. Diese einfache Bauform zeigte im
Vergleich zu Drehgestellen einen nahezu gleich guten Kurvenlauf, erlaubte
aber eine kürzere Baulänge. Die Tender wurden als "Typ III"
eine weitere Einheitsbbauart der DSB und wurden mit den Baureihen R und H verwendet.
Die Lieferung der Reihe P erfolgte 1907-10 in zwei Serien durch die
"Hannoversche Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft vorm. Egestorff in Hannover-Linden"
(Hanomag) und die "Berliner Maschinenbau-AG, vormals L.
Schwartzkopff" (BMAG). Beide Serien unterschieden sich in der
Dimensionierung der Zylinder und wurden als P I (P 901-919) und P II
(P 920-933) geführt. Die
Maschinen überzeugten durch harmonische Laufeigenschaften und
erreichten versuchsweise eine Spitzengeschwindigkeit von 130 km/h.
Schwächen zeigten sich dagegen bei Anfahrten und auf Steigungen.
Nach der Verabschiedung O. F. A. Busses als Maskindirektør
wurden einige Änderungen an den Lokomotiven vorgenommen. Die
Maschinen erhielten zur Verbesserung ihrer Wirtschaftlichkeit einen
Überhitzer und die Sandkästen wurden auf den Kessel unter
eine langezogene Verkleidung mit dem Dampfdom verlegt. Weitere
Modifikationen folgten: In den 1920er Jahren erhielten P 908 und P
918-933 deutsche Laternenhalter für den grenzüberschreitenden
Verkehr bis Flensburg. 1941-43 erhielten die Loks Druckluftbremsen,
wobei die Hauptluftbehälter auf den Umlaufblechen platziert
wurden. Die Kohlekästen der Tender wurden mit Schutzwänden
in unterschiedlichen Ausführungen nachgerüstet. Insgesamt
wurden sieben P in den Jahren 1943-55 von den DSB-Zentralwerkstätten
in Kopenhagen in die leistungsstärkere Baureihe
PR umgebaut.
Die Einsatzgeschichte der Reihe P begann auf Fünen, da hier zuerst die schweren 45
kg/m-Schienen mit ausreichender Tragfähigkeit für die hohen
Achslasten verlegt waren. Mit der fortschreitenden Modernisierung des
Schienennetzes waren die P ab 1910 landesweit mit Schnellzügen
unterwegs, wobei die Serie I im 1. Distrikt (Seeland) und die Serie
II im 2. Distrikt (Jütland, Fünen) stationiert war. Ab den
1930er Jahren kamen neue Aufgaben im kopenhagener Nahverkehr und vor
leichten Eilgüterzügen hinzu. Die Ablösung der P
begann mit Einführung der Reihe E ab 1937 und endete mit dem
Auftauchen der Dieseltypen MO und MY in den 1950er Jahren. Die
letzten P wurden auf Seeland zusammengezogen, ihr Einsatz endete
Anfang der 1960er Jahre. Aus beiden Lieferserien ist eine P erhalten,
einige Tender wurden nach der Ausmusterung zu Schneepflügen
umgebaut, die bis Anfang der 1980er Jahre ausgemustert wurden.
Museal erhaltene Fahrzeuge:
Danmarks Jernbanemuseum: P 917 (Serie I), P 931 (Serie II)
Technische Daten DSB P 901-933: |
|
P 901-919 (P I) |
P 920-933 (P II) |
Anzahl |
19 |
14 |
Hersteller |
Hanomag |
Schwartzkopff |
Baujahre |
1907-09 |
1910 |
Bauart, Steuerung |
2' B 1' h4v, Heusinger |
2' B 1' h4v, Heusinger |
Länge über Puffer |
18.515 mm |
18.515 mm |
Rostfläche |
3,2 m² |
3,2 m² |
Verdampfungsheizfläche |
149,3 m² |
149,3 m² |
Überhitzerfläche |
46,6 m² |
46,6 m² |
Kesselüberdruck |
15 atm |
15 atm |
Hoch- / Niederdruckzylinder-Ø |
340 mm / 570 mm |
360 mm / 600 mm |
Kolbenhub |
600 mm |
640 mm |
Treib- und Kuppelrad-Ø |
1.984 mm |
1.984 mm |
Laufrad-Ø |
1.054 mm |
1.054 mm |
indizierte Leistung |
- |
- |
Zugkraft |
7.370 kg |
8.710 kg |
Höchstgeschwindigkeit |
110 km/h |
110 km/h |
Dienst- / Reibungsgewicht der Lok |
69,0 t / 33,0 t |
70,0 t / 38,0 t |
Tender: Achsfolge / Dienstgewicht |
4 / 50,4 t |
4 / 50,4 t |
Vorrat: Wasser / Kohle |
22,0 m³ / 6,0 t |
22,0 m³ / 6,0 t |
Abbildungen:
DSB P 901-919 (P I):
DSB P 919 wurde am 25. September 1944 das Ziel einer alliierten Fliegerattacke.
DSB P 920-933 (P II):
Zum Verbleib der einzelnen Loks s.
Fahrzeugliste
Ein Vergleich:
Nahezu zeitgleich mit der DSB-Reihe P
entstand bei Maffei in München eine fast identische Lok, die
1905-06 in 11 Exemplaren an die bayrische Pfalzbahn als Baureihe P4
geliefert wurde. Es handelte sich um eine 2' B 1'
"Atlantic"-Schnellzuglok mit Vierzylinder-Verbundtriebwerk
und Heusingersteuerung. Nach anfänglichen Problemen mit dem
Überhitzer der Bauart Pielock wurden die Loks nur mit Naßdampf
betrieben und waren für eine Höchstgeschwindigkeit von 100
km/h zugelassen. Mit einer Länge über Puffer von 18.712 mm,
einer Dienstmasse von 74,3 t, einem Achsdruck von 16 t und einem
Treibraddurchmesser von 2.010 mm glichen die Dimensionen denen der
jüngeren dänischen Schwester. Konstruktionsbedingt zeigten
beide Muster eine hohe Laufruhe, wiesen aber deutliche Schwächen
auf bei der Anfahrt und auf Steigungen. Im Gegensatz zur dänischen
P wurden die P4 der Pfalzbahn bereits 1925 ausgemustert, keine der
Maschinen ist erhalten. Vermutlich war die P4 der Pfalzbahn O. F. A. Busse d. J.
bekannt. Wie weit diese Maschine seine Konstruktion beeinflußte, bleibt offen.
Quellen:
Andersen, Torben (1999): DSB litra P. Lokomotivet 58:35-40.
Andersen, Torben (2004): Dansk Jernbanehistorie 1. Næstved: Lokomotivet´s forlag.
Bay, William (1977): Danmarks damplokomotiver. Herluf Andersens Forlag.
Lotter, Georg (1906): Neuere Lokomotiven der bayrischen Pfalz-Bahn. Die Lokomotive 5.
Jahrgang, Heft 3: 53-60. (DVD-Ausgabe 2007, Bahnmedien.at).
Micro-Feinmechanik: Die Schnellzuglokomotiven der Gattung P4 der Pfalzbahn. www.microfeinmechanik.de
Steffan, Hans (1908): 4-4-2-gek. (Atlantic) Vierzylinder-Verbund-Schnellzuglokomotive der Dänischen
Staatsbahnen. Die Lokomotive 5. Jahrgang, Heft 7: 121-124. (DVD-Ausgabe 2007, Bahnmedien.at).
Steffan, Hans (1909): Vierzylinder-Verbundlokomotiven der Hannoverschen Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft vorm.
Egestorff in Hannover-Linden. Die Lokomotive 6. Jahrgang, Heft 10: 217-234. (DVD-Ausgabe 2007,
Bahnmedien.at).
Zur Fahrzeug-Übersicht