Steckbrief DSB MY 1201-1202


Der Entschluß der DSB zur Einführung der Dieseltraktion mit GM-Lokomotiven, die 1952 als Reihe MY beim schwedischen Lizenznehmer Nohab geordert wurden, sorgte in Dänemark für erhebliche Aufreung. Auf Grund des folgenden politischen Druckes wurden zwei weitere, vergleichbare Maschinen bei der dänischen A/S Frichs bestellt. Damit sollte die einheimische Industrie gefördert und der Einsatz kostbarer Devisen reduziert werden. Diese Loks wurden zunächst als Reihe MZ angekündigt, erhielten dann aber die Bezeichnung MY 1201 und 1202. Frichs war als Hauptauftragnehmer für den Fahrzeugteil und den Bau des Motors zuständig. Bei letzterem handelte es sich um einen zweitakt Dieselmotor, der von Burmeister & Wain (B&W) zu konstruieren war und von Frichs in Lizenz gefertigt wurde. Als Zulieferer wurden Thrige Titan für die elektrische Ausrüstung, ASEA für die Steuerung und die Vapor-Clarkson USA für den Heizkessel verpflichtet. Gefordert wurde ein Muster, dessen Abmessungen und Leistungsdaten denen der Nohab-MYs entsprachen und dessen Steuerung eine gemischte Mehrfachtraktion beider Typen erlaubte. Zur Vereinheitlichung von Betriebs- und Wartungsaufgaben waren die Bedienelemente und Armaturen sowie die Einfüllstutzen für die Betriebsstoffe identisch anzuordnen. Der Führerstand durfte ausdrücklich nicht komfortabler als bei den Nohab-MYs ausgeführt werden.

A/S Frichs nutzte bei der Entwicklung des neuen Musters die Freiheiten, die das enge Regelwerk zuließ. So enstand eine äußere Formgebung, die durch die vorgewölbten Frontpartien ein unverwechselbares Erscheinungsbild bot. Großer Wert wurde auch auf die Konstruktion der Drehgestelle gelegt, um das Fahrverhalten zu optimieren. Trotz großer Anstrengungen konnte Frichs den urprünglichen Liefertermin für 1955 aber nicht halten. Der erste Motor konnte erst 1956 einem 100-Stunden Probelauf nach UIC-Standard unterzogen werden, den er nicht bestand. Erst 1957 war MY 1201 klar und wurde mit einem umfangreichen Abnahmeprogramm geprüft. Dabei wurden rund 3000 km zurückgelegt, der gemeinsame Betrieb mit Nohab-MYs demonstriert und eine Höchstgeschwindigkeit von 143 km/h mit einem Schnellzug von 300 t erreicht. Gegenüber den Nohab-Maschinen wurden besonders die besseren Laufeigenschaften und die geringere Lärmentwicklung der Frichs-MY gelobt.

Im täglichen Einsatz zeigte MY 1201 schon bald massive Schwierigkeiten mit dem B&W-Motor. Dieser verlor so viel Öl, daß die Lokführer lieber um das Fahrzeug herumgingen als den Verbindungsgang zwischen den Führerständen zu benutzen. Mehrfach kam es zu erheblichen Maschinenschäden, die längere Werksaufenthalte erforderten. Inoffiziell wurde die Lok auch als "MY 1201 ½" bezeichnet, da bei Reparaturen zunehmend Teile aus der im Bau befindlichen MY 1202 entnommen wurden. MY 1202 wurde erst 1960 mit fünfjähriger Verspätung ausgeliefert, das Motorenproblem ließ sich aber nicht nachhaltig beheben. Theoretisch wäre der Austausch gegen einen GM-Diesel möglich gewesen, GM lieferte seine Motoren aber nur an Vertragspartner zum Einbau in lizensierte Lokomotiven. Damit war Frichs außer Stande, ein konkurrenzfähiges Muster zu präsentieren und konnte die Einführung der DSB-Streckendieselloks nur noch als Unterlieferant begleiten.

MY 1201 und 1202 waren vor Reise- und Güterzügen unterwegs, erreichten aber nie die Laufleistungen der Nohab-MYs. Vorzugsweise erfolgte der Einsatz in Jütland, um bei größeren Schäden einen kürzeren Weg zum Werk in Århus zu haben. Ab 1966 wurden die Frichs-MYs nur noch als Reserve für Spitzenbelastungen vorgehalten und 1968 schließlich abgestellt, nachdem sie als Reihe MV umgezeichnet worden waren. 1971 wurden beide Loks in aller Diskretion bei H.I. Hansen in Odense verschrottet. Während der gesamten Betriebszeit trugen beide Maschinen das weinrote DSB-Farbschema mit cremefarbenen Zierlinien und dem Flügelradlogo an den Stirnseiten. Wegen ihres auffälligen "Vorbaus" erhielten die Loks entsprechende Spitznamen: MY 1201 war "Marilyn Monroe" und MY 1202 war "Sophia Loren". MY 1202 wurde alternativ auch "My fair Lady" genannt nach dem gleichnamigen Musical, dessen Premiere ebenfalls ständig verschoben wurde.


Technische Daten MY 1201-1202
Anzahl 2
Hersteller Frichs
Baujahre 1957, 1960
Achsfolge (Ao1Ao)' (Ao1Ao)'
Länge über Puffer 18.900 mm
Drehzapfenabstand 10.300 mm
Achsstand im Drehgestell 4.000 (2.000 + 2.000) mm
Motor B&W 1622 VL-34V, 16 Zylinder, zweitakt
Leistung 1.295 kW (1.750 PS) bei 800 U/min
Kraftübertragung dieselelektrisch
Höchstgeschwindigkeit 133 km/h
Dienstgewicht 106,0 t


Abbildungen:

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Zum Verbleib der einzelnen Loks s. Fahrzeugliste


Quellen:
Andersen, Torben (1999): Marylin Monroe og Sophia Loren. Lokomotivet 55: 18-19.
Christiansen, Asger (2000): Et liv på maskinen, Del 2. Jernbanen 1/00: 26-33.
Christensen, Peter & Poulsen, John (2009): Motor Materiel 7: Motormateriellet fra Frichs og Scandia 1932-1978. Smørum: bane bøger.
Nørgaard Olesen, Thomas (2005): Lokomotivfabrikken Frichs. København: Dansk Jernbane Klub.
Pedersen, Erik V.: www.evp.dk
Risbjerg Thomsen, E. (1957): Ny type MY-lokomotiv går i drift ved DSB. Vingehjulet 14. årgang nr. 20: 233-236.


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