Dänemarks Zuckerindustrie - Teil 3: Die dänische Zuckerwirtschaft


Zucker erlangte in Dänemark bereits im 17. Jhdt. eine erste wirtschaftliche Bedeutung durch die Anbaugebiete im karibischen Kolonialgebiet Dänisch-Westindien (dän.: Dansk Vestindien). Dänemark hatte in den Kleinen Antillen die Jungferninseln (dän.: Jomfruøerne) Sct. Thomas (1666), Sct. Jan (1671) und Sct. Croix (1733) erworben, wobei sich nur letztere zum Anbau von Zuckerrohr eignete. Wie damals üblich, wurden auch hier Sklaven für die harte Plantagenarbeit eingesetzt, von denen rund 100.000 bis zum Ende der Sklaverei 1848 auf die Inseln deportiert wurden. Die Kolonien lieferten Rohzucker nach Dänemark, wo dieser in zahlreichen Kleinbetrieben raffiniert wurde. So fanden sich 1798 in Kopenhagen 118 Zuckersiedereien mit über 500 Beschäftigten. Raffinierter Zucker entwickelte sich zu einem wesentlichen Exportgut Dänemarks im Ostseeraum. Mit dem Aufbau einer einheimischen Zuckerwirtschaft und durch die weltpolitischen Veränderungen des Ersten Weltkrieges verlor Dänemark das Interesse an seinen überseeischen Besitzungen. 1917 wurden die Jungferninseln für $ 25 Mio. an die USA verkauft, die diese seither unter dem Namen U.S. Virgin Islands als nichtinkorporiertes Außengebiet verwalten.


Die dänische Zuckerindustrie und "De danske Sukkerfabrikker"
Der erste Versuch zur Zuckerproduktion auf Basis von Zuckerrüben wurde in Dänemark 1813 unternommen, aber schon bald mangels Erfolg eingestellt. Erst in den 1870er Jahren gelang im Zuge der wirtschaftlichen Erneuerung nach dem Verlust der Herzogtümer Schleswig und Holstein der Aufbau einer rentablen Zuckerwirtschaft. Geeignete Anbauflächen fanden sich vor allem auf den südlichen Ostseeinseln Lolland, Falster und Fünen. 1872 gründete der Bankier C. F. Tietgen die Aktiengesellschaft "A/S De danske Sukkerfabrikker" (DdS)* mit Sitz in Kopenhagen. Als erster Betrieb der DdS wurde die Zuckerfabrik in Odense 1873 eröffnet, die dort durch vielfältige Anbauflächen und eine dichte Eisenbahn-Infrastruktur versorgt werden konnte. Bis 1912 folgte eine Reihe weiterer Zuckerfabriken, die von der DdS und von lokalen Genossenschaften gegründet wurden. Als wirtschaftlich hilfreich erwiesen sich die fallenden Getreidepreise durch amerikanische Importe. Die dänische Landwirtschaft konzentrierte sich daraufhin auf die Viehzucht und auf Milchprodukte, wodurch die Futterpreise stiegen und die Zuckerfabriken auch ihre Beiprodukte profitabel absetzen konnten. Ein weiterer Faktor in der dänischen Zuckerindustrie waren die Raffinerien, da die Zuckerfabriken lediglich Rohzucker ("Melis") erzeugen konnten. Langfristig stellte sich die DdS als wirtschaftlich stärkstes Unternehmen der Branche heraus, gegen das sich nur die Genossenschaft "Sukkerfabriken Nykjøbing Limitered" (SN) langfristig behaupten konnte.

Parallel zum Aufbau der DdS sicherte sich C. F. Tietgen die Kontrolle über die Raffinadekapazitäten, indem er die alten kopenhagener Zuckerraffinerien erwarb. Damit sollte auch dieser letzte Produktionsschritt und der Vertrieb unter die Kontrolle seiner DdS gebracht werden. Weiterhin gründete C. F. Tietgen eine Reihe verarbeitende Unternehmen der Chemie- und Lebensmittelindustrie, die alle im Umfeld der Zuckerproduktion tätig waren. Hierzu zählten die "A/S De Danske Spritfabrikker" als Hersteller von Alkohol, Branntwein und Hefe sowie die 1934 ausgegliederte Tochter "Danisco" (Dansk Handels- og Industri Compagni) als Zulieferbetrieb für die Zuckerindustrie. Die Zuckerindustrie hatte sich damit zu einem wichtigen Faktor der dänischen Volkswirtschaft entwickelt und sorgte insbesondere auf Lolland und Falster für einen gewissen Wohlstand. Weitere wirtschaftliche Impulse ergaben sich bei der Entwicklung der Infrastruktur sowie bei den Zulieferbetrieben.


Danisco A/S und Nordic Sugar
Die Aktivitäten der dänischen Zuckerindustrie sowie zahlreicher verarbeitender Betriebe wurden 1989 unter dem Dach der "Danisco A/S" zu einem der größten Konzerne Dänemarks zusammengeschlossen. Das Lieferprogramm der Danisco A/S umfaßte Zucker in allen Handelsformen, Nahrungs- und Genußmittel sowie entsprechende Vorprodukte und Verpackungen. Gleichzeitig wurde die letzte eigenständige Zuckerfabrik in Nykøbing/Falster übernommen, so daß Danisco das Zuckermonopol in Dänemark hielt. In den folgenden Jahren wurden verschiedene ausländische Unternehmen erworben, darunter 1991 acht Standorte in der ehemaligen DDR und 1993 die gesamte schwedische Zuckerindustrie. 1999 vollzog Danisco einen Strategiewechsel und profilierte sich als Zulieferer für die internationale Nahrungsmittelindustrie. Das Sortiment bot nun Inhaltsstoffen wie Aromen, Enzyme, Kulturen, Rohstoffe sowie Saatgut. Alle anderen Aktivitäten wurden veräußert, darunter die Verpackungstechnik.

Im Zuge der EU-Zuckermarktordnung von 2005 baute Danisco die Zuckerkapazität schrittweise ab und verkaufte diese Sparte 2009 ganz an die deutsche Nordzucker AG als "Nordic Sugar". Nordic Sugar hat seine Zentrale in Kopenhagen und agiert als selbständiges Unternehmen in der Nordzucker AG. Das Unternehmen verfügt über Anbaugebiete in Dänemark, Schweden, Finnland und Lithauen, die Produkte werden unter dem Markennamen "Dansukker" vertrieben. Teil der Transaktion waren die beiden verbliebenen dänischen Zuckerfabriken in Nakskov und Nykøbing sowie die Saatgutzucht "Maribo Seed" mit Sitz in Holeby. Letztere wurde 2010 an die schweizer "Syngenta AG" verkauft (vorbehaltlich kartellrechtlicher Zustimmung).


Bedeutung der Zuckerwirtschaft am Arbeitsmarkt
So wie die deutschen Betriebe, erforderte auch die junge dänische Zuckerindustrie den Einsatz von Wanderarbeitern, um die saisonal schwankende Arbeit auf den Rübenfeldern bewältigen zu können. Die Wanderarbeit begann 1893 und allein 1914 kamen über 12.000 Arbeitskräfte aus Polen nach Lolland und Falster. Die Unterbringung erfolgte in Baracken, der Aufenthalt währte von der Aussaat bis zum Abschluß der Ernte. Die Arbeit wurde überwiegend von jungen Frauen geleistet, die als "Roepigerne" (Rübenmädchen) bekannt waren. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges verhinderte die Heimkehr von ca. 4000 Wanderarbeitern. Alle erhielten eine Aufenthaltsgenehmigung und viele blieben dauerhaft in Dänemark durch Heirat. Nach dem ersten Weltkrieg verdrängte die fortschreitende Mechanisierung die Wanderarbeit und reduzierte langfristig auch den Personalbedarf in den Zuckerfabriken. Durch den jüngsten Abbau der Produktionskapazitäten im Rahmen der EU-Zuckermarktordnung dürfte die Zuckerindustrie am dänischen Arbeitsmarkt keine nennenswerte Rolle mehr spielen.


Danmarks Sukkermuseum
An die Zeit der Wanderarbeit erinnert heute noch eine der "Polakkaserner" (Polenkasernen) in Tågerup bei Rødby und in Nakskov findet sich "Danmarks Sukkermuseum". Auf dem Marktplatz in Sakskøbing (Lolland) steht ein Denkmal für die "Roepigerne", das zwei der Mädchen in Bronze zeigt, angefertigt 1940 von dem Bildhauer Gottfred Eickhoff.

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Die Abkürzung "DDS" wird von verschiedenen dänischen Organisationen verwendet:
- Det Danske Stålvalseværk A/S
- De danske Sukkerfabrikker
- Det Danske Spejderkorps (Pfadfinder)
- De Danske Skytteforeninger (Verband der Schützenvereine)



Dänemarks Zuckerindustrie - Übersicht
Teil 1: Zur Geschichte des Zuckers
Teil 2: Rübenanbau und Zuckergewinnung
Teil 3: Die dänische Zuckerwirtschaft
Teil 4: Die dänischen Rübenbahnen
Teil 5: Die Fahrzeuge der dänischen Rübenbahnen
Teil 6: Standorte Fünen
Teil 7: Standorte Lolland
Teil 8: Standorte Møn und Falster
Teil 9: Standorte Seeland