5. Borsig Artefakte

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5.1 Archive

Insgesamt sind aus der Zeit vor 1900 erstaunlich wenig Borsig-Objekte erhalten, es erzählt kein Museum die vollständige Geschichte des Hauses. Immerhin wurde bei den Lokomotiven die wegweisende "BEUTH" von 1844 rekonstruiert. Auch von August Borsigs Konstruktionen für den Hochbau ist kaum etwas bewahrt. So wurden die spektakulären Kuppeln der Potsdamer Nicolai-Kirche und des Berliner Stadtschlosses im 2. Weltkrieg zerstört und das 1846 errichtete Hallendach des Hamburger Bahnhofs in Berlin wurde 1905/06 durch eine neue Ausstellungshalle ersetzt (seit 1996: "Museum für Gegenwart"). Dagegen blieben die von August Borsig konstruierten Eisenelemente im Neuen Museum Berlin und die erste freitragende Halle aus vorgefertigten Gitterträgern erhalten. Bei Borsig selbst war man sich der eigenen Firmengeschichte durchaus bewußt und begann in den 1920er Jahren mit dem Aufbau eines Firmenarchivs. Heute ist der Großteil der überlieferten Dokumente bei der Stiftung "Deutsches Technikmuseum Berlin" (SDTB) <https://technikmuseum.berlin/sammlung/historisches-archiv/> zusammengeführt. Dabei handelt sich um Objekte aus dem Familienbesitz, die 1981 von der Borsigschen Vermögensverwaltung per Leihvertrag übergeben wurden sowie um Dokumente, die 1983 von der Babcock-Borsig AG in Tegel übereignet wurden - alle Archivalien sind online gelistet. Desweiteren stellt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Dokumente zu Ernst von Borsig online bereit.


5.2 Ausgewählte Exponate

Im Folgenden soll eine sicher persönlich gehaltene Auswahl von Exponaten das Produktspektrum des Hauses Borsig illustrieren.


1838: Löwenbrücke im Großen Tiergarten, Berlin:
Bei der Umgestaltung des Berliner "Großen Tiergartens" durch Peter Joseph Lenné wurde 1838 eine Hängebrücke für Fußgänger nach Entwürfen von Ludwig Ferdinand Hesse und Christian Friedrich Tieck errichtet. Die Tragseile der Brücke wurden von Zugankern in den Mäulern gußeiserner Löwenfiguren gehalten, die nach Modellen von Christian Daniel Rauch gestaltet und bei Borsig gegossen wurden. Das Bauwerk wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, die Löwen mit den Zugankern blieben aber im Original erhalten. Ein Nachbau der Brücke von 1958 wurde 2014 wegen Baufälligkeit entfernt. Die Rekonstruktion der ältesten Drahtseilhängebrücke Deutschlands im ursprünglichen Bauzustand war für 2014 geplant, wurde aber erst 2022 ausgeschrieben und die Fertigstellung für 2024/25 avisiert.

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Standort: Großer Tiergarten, Berlin; GPS: 52°30'44.6"N 13°20'44.7"E


1840-42: Tor der Neptungrotte im Schloßpark Sanssouci, Potsdam:
Die Neptungrotte im Schloßpark von Sanssouci entstand 1751-57 im Auftrag Friedrichs des Großen. Die gewünschten Wasserkaskaden zu beiden Seiten der Grotte konten allerdings erst knapp 100 Jahre später nach dem Bau des Pumpenhauses für die große Fontäne in Betrieb gesetzt werden (s.u.). Im Zuge einer Restaurierung 1840-42 wurde der Eingang zur Grotte mit einem vergoldeten Gittertor aus Gußeisen versehen, das bei Borsig gefertigt worden war. Das Bauwerk konnte 2015-18 dank großzügiger privater Spenden im Bauzustand Mitte des 19. Jhdts. wieder hergestellt werden.

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Standort: Schloßpark Sanssoucis, Potsdam; GPS: 52°24'12"N 13°2'32"E


1842: Pumpenhaus Moschee, Potsdam:
Friedrich der Große entschied 1748, den Garten seiner neuen Sommerresidenz "Sanssouci" in Potsdam mit einer spektakulären Fontäne zu schmücken. Das Projekt scheiterte, da die Rohrleitungen aus ausgebohrten Vollhölzern den resultierenden Drücken nicht standhielten und die Pumpleistung der verwendeten Windmühlen nicht ausreichte. Erst unter Friedrich Wilhelm IV wurde die Idee wieder aufgenommen - jetzt mit widerstandsfähigen Leitungen aus Gußeisen und einer Dampfmaschine zur Wasserförderung. Auf Wunsch seiner Majestät entwarf der Hofarchitekt Ludwig Persius 1841 ein Pumpenhaus "nach Art der türkischen Moscheen mit einem Minarett als Schornstein" und gestaltete die Innenräume mit maurischer Ornamentik. Die gesamte Maschinenanlage konstruierte und baute August Borsig. Die Dampfmaschine mit 2 stehenden Zylindern und obenliegender Kurbelwelle war im zentralen Kuppelraum aufgestellt, wobei Maschine und Mauerwerk eine untrennbare Einheit bildeten. Die gußeisernen Säulen im Maschinenraum wurden mit Ankern aus Schmiedestahl vorgespannt, um die Steifigkeit des Tragwerkes zu erhöhten. In Erwartung von entstehenden Höhenunterschieden durch das Setzen der Fundamente wurde die Kurbelwelle dreiteilig ausgeführt und durch Krummzapfenkupplungen flexibel verbunden. In 2 angrenzenden Kammern wurden jeweils 7 Pumpen über Zahnräder angetrieben, der Antrieb der Hilfspumpen für die Dampfmaschine erfolgte über Balancierbalken. In weiteren Räumlichkeiten waren die beiden Dampfkessel, eine Werkstatt sowie eine Wohnung für den Maschinisten untergebracht. Das Pumpwerk wurde 1842 in Gang gesetzt, es speiste tagsüber die Fontäne und füllte nachts das Reservoir auf dem "Ruinenberg".

Für die Dampfmaschine von Sanssouci wurde eine Leistung von 81,4 PS bei einer Drehzahl von 18 U/min indirekt bestimmt, sie erreichte bei einem täglichen Verbrauch von 4 t Steinkohle einen Wirkungsgrad von ca. 3 %. Die Förderleistung der Pumpen betrug 200 ft3/min (5,7 m3/min), wobei die Rohrleitung zum Reservoir eine Steighöhe von 44 m über eine Strecke von 1,8 km überwand. Zur Zeit der Inbetriebnahme der Anlage handelte es sich um eine technologische Spitzenleistung mit der damals stärksten Dampfmaschine in Preußen. Auch Borsigs Unternehmen ging an seine Grenzen: So wurde u.a. die Kurbelwelle trotz hoher Kosten in England bestellt und eine Konventionalstrafe für die verspätete Fertigstellung gezahlt. Nach 50 Jahren zuverlässigen Betriebes wurde die Maschine 1895 durch eine stärkere Anlage abgelöst, die in einem später wieder entfernten Anbau aufgestellt wurde. Seit 1937 werden elektrische betriebene Kreiselpumpen eingesetzt, die im ehemaligen Kesselhaus untergebracht sind. Das Pumpenhaus "Moschee" blieb mit der original Borsig-Dampfmaschine sowie einem Pumpensatz als technisches Denkmal erhalten und wird zu ausgewählten Terminen geöffnet. Ich empfehle wärmstens einen Besuch von Steampunk in Tausend und einer Nacht!

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Standort: Dampfmaschinenhaus (Moschee), Breite Straße 28, 14467 Potsdam; GPS: 52°23'46.4"N 13°2'40.4"E


1843-1855: Neues Museum, Berlin:
Das 1843-55 errichtete "Neue Museum" auf der Berliner Museumsinsel ließ der Architekt Friedrich August Stüler als Leichtbau mit einem Eisenskelett ausführen. Bei der Konstruktion des Letzteren setzte er auf die Expertise August Borsigs, der weitgespannte Decken ohne störende Säulen realisierte. Einige Eisenelemente wurden hinter scheinbar massivem Gemäuer versteckt, an anderen Stellen lagen die Strukturen offen wie die filigranen Bogensehnenbinder, auf denen die flachgewölbten Decken des "Niobiden-" und des "Roten Saales" ruhten. Diese Träger überstanden die Kriegsschäden und blieben auch nach der Rekonstruktion des Neuen Museums 2000-09 durch David Chipperfield sichtbar und in ihrer Funktion erhalten. Die Träger bestanden aus einem Bogen, der aus 2 gußeisernen Teilen zusammengesetzt war, sowie einem Paar schmiedeeiserner Sehnen. Letztere wurden aus 7 gebündelten Rundeisenstäben geschmiedet, ausgewalzt und mit Schrauben an den Auflagern vorgespannt. Jeder einzelne Bogensehnenbinder wurde vor Auslieferung bei Borsig einer Belastungsprobe unterzogen. Die Kombination von druckfestem Gusseisen und zugfestem Schmiedeeisen stellte eine technische Innovation ihrer Zeit dar. Die dekorativen Elemente an den Trägern unterschieden sich in den einzelnen Räumen, sie wurden aus Zinkguß und Messingblech von anderen Herstellern gefertigt.

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Standort: Neues Museum Berlin, Bodestraße 1-3, 10178 Berlin; GPS: 52°31'12.1"N 13°23'52.1"E


1844: Borsig-Lok "BEUTH":
Aus der Zeit August Borsigs blieb keine Lokomotive erhalten. So ging auch die Lok "BEUTH" mit der Werksnr. 24 verloren, die als erste eigenständig in Deutschland entwickelte Dampflok gilt und auf der Gewerbeausstellung des Deutschen Zollvereins mit einer Goldmedaille prämiert wurde. Der "Amtliche Bericht über die allgemeine Deutsche Gewerbe-Ausstellung in Berlin im Jahre 1844" war voll des Lobes und lieferte eine ausführliche Darstellung. Die Lok war mit der Achsfolge 1 A 1 und 2 außenliegenden Zylindern ausgeführt. Zu den besonders hervorgehobenen Innovationen zählten die Wärme-Isolierung des Kessels mittels Filz und Holzverkleidung, die patentierte Borsig-Steuerung der Dampfmaschine sowie die dampfbetriebene Speisewasserpumpe, die bisher notwendige Pumpfahrten überflüssig machte. 1912 wurde anläß des 75. Firmenjubiläums ein exakter Nachbau der "BEUTH" angefertigt und später auch mit dem dazugehörigen Tender ergänzt. Das Replikat wurde 1924 dem "Deutschen Museum" in München übereignet und kam 1984 als Dauareleihgabe zum "Deutschen Technikmuseum Berlin".

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Standort: Deutsches Technikmuseum Berlin, Trebbiner Str. 9. 10963 Berlin; GPS: 52°29'55.5"N 13°22'39.9"E


1859: Woolf´sche Balancierdampfmaschine:
Bei A. Borsig wurden Dampfmaschinen unterschiedlicher Bauarten gefertigt, darunter auch "Woolf´sche Balancierdampfmaschinen". Es handelte sich um stationäre Verbundmaschinen mit 2 stehenden Zylindern, die über einen Balancierbalken die Kurbelwelle antrieben. Der Abtrieb erfolgte über ein Riementreibrad bzw. über ein Zahnrad mit hölzernen Zähnen. Im gemauerten Sockel waren unter dem Fußbodenniveau zusätzliche Komponenten wie der Kondensator und Pumpen angeordnet, die über den Balancier angetrieben wurden. Eine Maschine dieses Typs ist im Deutschen Technikmuseum Berlin zu besichtigen. Die Dampfmaschine wurde 1859 im Borsigwerk Moabit zum Betrieb einer Getreidemühle in Spremberg bei Cottbus gebaut und 1913 zurückgekauft. Sie war viele Jahre als Denkmal am Haupttor des Werkes in Tegel aufgestellt, bevor sie museal bewahrt wurde. Die Maschine wurde ursprünglich als Niederdruckdampfmaschine mit 35 PS geliefert und leistete zuletzt 135 PS.

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Standort: Deutsches Technikmuseum Berlin, Trebbiner Str. 9. 10963 Berlin; GPS: 52°29'55.5"N 13°22'39.9"E



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