Der Ingenieur Robert Ardelt (* 1847, † 1925) eröffnete 1902 in Eberswalde ein
technisches Industriebüro, das in den folgenden Jahren als
Maschinenfabrik ausgebaut wurde. Das Unternehmen nannte sich ab 1904
"Robert Ardelt & Söhne Maschinenfabrik" und wurde
1912 als "Ardelt-Werke GmbH" umfirmiert, wobei es im
Familienbesitz blieb. Weitere Niederlassungen wurden in Berlin,
Hamburg und Düsseldorf eröffnet. Das Angebot umfaßte
Krane, Hebezeuge, Gießereianlagen, Stahlkonstruktionen etc. und auch
am Bau des Schiffshebewerkes Niederfinow am Oder-Havel-Kanal war Ardelt beteiligt.
In den 1930er Jahren kamen Motor-Kleinlokomotiven und dampfbetriebene
Schienendrehkrane hinzu, die aber nur in kleineren Stückzahlen
gefertigt wurden. Die charakteristischen Doppellenkerkrane des Unternehmens
wurden 1932 patentiert. Diese auch als "Portalwippdrehkrane"
bezeichneten Krane behielten beim Wechsel der Auslage
des Kranarms die Höhe des Hakens unverändert bei. Durch
bewegliche Gegengewichte wurde dabei die für die Wippbewegung
benötigte Kraft gering gehalten. Während des zweiten Weltkrieges wurden die
Ardelt-Werke ganz auf die Rüstungsproduktion umgestellt und die
Belegschaft durch einige tausend Zwangsarbeiter verstärkt.
Zusätzliche Standorte entstanden in dieser Zeit in
Breslau-Masselwitz (heute Wroclaw-Maslice, Polen), in Rothau (heute
Rotava, Tschechien) und Kragau (heute Craiova, Rumänien).
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges gab die Familie Ardelt den Stammsitz
in Eberswalde auf und siedelte nach Niedersachsen über. Hier
erfolgte 1946 die Neugründung der "Ardeltwerke GmbH"
mit der Hauptverwaltung in Osnabrück und den Fertigungsstätten
in Wilhelmshaven. 1953 wurden alle Aktivitäten in Wilhelmshaven
zusammengeführt und das Unternehmen in Folge der Beteiligung der
Friedrich Krupp AG in "Krupp-Ardelt GmbH" umbenannt. Nach
dem Ableben von Rudolf Ardelt gingen 1964 auch die restlichen
Familienanteile an Krupp und das Unternehmen wurde als
"Krupp-Kranbau" umfirmiert. Das Produktportfolio bot eine
große Auswahl verschiedener Krananlagen, darunter auch
Schienendrehkrane sowie 16 Rangierloks für die DSB. Die
Krupp-Kranbau wurde 1995 vom US-amerikanischen Mobilkranhersteller
"Grove" übernommen, der 2002 seinerseits von der
"Manitowoc Company Inc." geschluckt wurde. Am Standort
Wilhelmshaven blieb die Produktion von Mobilkranen erhalten (Stand 2018).
Die Ardelt-Werke in Eberswalde wurden nach 1945 demontiert und die Anlagen als
Reparationsleistung in die Sowjetunion überführt. Ab 1948
begann der Wiederaufbau des Unternehmens als Volkseigener Betrieb
"VEB Kranbau Eberswalde", der Anfang der 1970er Jahre
zusammen mit 29 weiteren Betrieben in das Kombinat "TAKRAF
Leipzig" (Kurzform für: Tagebau-Ausrüstungen, Krane
und Förderanlagen) eingegliedert wurde. Hier spezialisierte sich
das Eberswalder Werk auf den Bau von Hafenanlagen und Kranen nach dem Doppellenkersystem
Ardelt, die weltweit exportiert wurden. Im Zuge der Deutschen
Wiedervereinigung wurde das TAKRAF-Kombinat in die "TAKRAF
Schwermaschinenbau AG" umgewandelt, die als Holding fungierte
und Eigentum der Treuhandanstalt war. Die vormaligen Ardelt-Werke
wurden 1994 als "Kranbau Eberswalde GmbH" an die Bremer
"Vulkan Kocks GmbH" veräußert und nach deren
Insolvenz 1996 erneut privatisiert. Das Unternehmen wurde so eine 100
%-ige Tochter der "Kirow Leipzig AG" und damit ein
Bestandteil der "Koehne Gruppe". Der Kranbau führte
hier den Namen "Kirow Leipzig KE Kranbau Eberswalde GmbH",
wobei Kirow Leipzig sich auf Eisenbahnkrane und der Standort
Eberswalde sich auf Krane für Häfen etc. spezialisierte.
Gemeinsam mit der Bremer "Kocks Krane GmbH" mit dem
Schwerpunkt Containerbrücken bildeten Sie ab 1997 die
"Kranunion". 2008 wurde das Unternehmen als "Kirow
Ardelt GmbH" umfirmiert und 2015 nach Übernahme der "Kocks
Krane GmbH" als "Kocks Ardelt Kranbau GmbH" mit
Hauptsitz in Eberswalde neu aufgestellt. Da das Werk größere
Mengen des verbauten Stahls aus dem Asow-Stahlwerk im ukrainischen Mariupol
bezog, blieb die russische Invasion der Ukraine 2022 auch hier nicht folgenloß.
Auf Grund gestiegener Rohstoffpreise und logistischer Probleme wählte das Unternehmen
Ende April 2022 den Weg in die Insolvenz, um eine Sanierung einzuleiten. Mitte 2023
wurde ein Management-Buyout vollzogen und die Neugründung als
"Ardelt Kranbau GmbH" avisiert.
Werk Eberswalde:
Stand 2018: Das stillgelegte Produktionsareal an der Heegermühler Straße in Eberswalde
lag zum großen Teil brach, in einzelnen Gebäuden hatten sich verschiedene Betriebe angesiedelt.
Ardelt-Doppellenkerkrane
Die frühen Ardelt-Doppellenkerkrane wurden als Stahlprofil-Fachwerkkonstruktion
ausgeführt und ab den 1960er Jahren durch effektivere, aber
schwerere Stahlblechkonstruktionen ersetzt. Doppellenkerkrane System Ardelt wurden nach 1945
von beiden Nachfolgeunternehmen in Ost und West gefertigt und werden nach wie vor gebaut.
Ardelt-Überholungsgetriebe
Ein weiteres Ardelt-Patent der 1930er Jahre war das Überholungsgetriebe
für Motorleistungen bis 300 PS. Dieses konnte durch die Verwendung
mehrerer Kupplungslamellen ohne Unterbrechung der Kraftübertragung
geschaltet werden. Die Schaltvorgänge erfolgten mittels
Druckluftzylindern und wurden wahlweise automatisch oder manuell
ausgelöst. Das Ardelt-Getriebe wurde für den Kranbau
entwickelt, fand aber auch Verwendung in Nutzfahrzeugen und bei
Eisenbahnfahrzeugen wie den Ardelt-Lokomotiven und einigen Triebwagen.
Die beiden in Dänemark beheimateten BMAG-Kleinloks DSB 71
und SB T 1 wurden 1945 bzw. 1948 bei ihrer
Remotorisierung mit Ardelt-Getrieben nachgerüstet.
Ardelt-Lokomotiven
Ab Mitte der 1930er Jahre bot Ardelt ein Typenprogramm mit
zweiachsigen Motor-Kleinloks für Werksbahnen an. Diese
entsprachen konstruktiv den Kleinlokomotiven der Leistungsklasse II
mit mechanischer Kraftübertragung (
Kö II)
der Deutschen Reichsbahn (DRG). Für den Antrieb wurden Dieselmotoren
der Hersteller KHD und MAN verwendet, die Kraftübertragung
erfolgte mittels eines Ardelt-Überholungsgetriebes und
Rollenketten. Die Bezeichnung der Modelle erfolgte über die
Bauform durch Angabe von Buchstaben (N = Normalspur, B = 2
angetriebene Achsen) sowie der Motorleistung. Folgende
Typenbezeichnungen sind belegt: NB 70, NB 85, NB 120, NB 150 sowie NB
180. In den Jahren 1936-39 lieferte Ardelt vermutlich 38 dieser
Kleinloks, eine vollständige Dokumentation steht aber aus.
Insgesamt blieben drei Ardelt Kleinloks erhalten.
Ardelt Werknummer 13 vom Typ NB 85 wurde 1938 an die "Eisen und Metall AG" in
Gelsenkirchen geliefert und 2005 als Denkmallok auf dem Gelände der "Kocks
Ardelt Kranbau GmbH" in Eberswalde aufgestellt (Zugang: Heegermühler Str. 64, 16225 Eberswalde).
Von der neugegründeten "Ardeltwerke GmbH" in
Osnabrück und Wilhelmshaven wurden 1951-54 die Rangierloks
DSB Traktor 101-116
gefertigt, deren Konstruktion von dem Wehrmachtsmuster
WR 200 B 14 abgeleitet
wurde. Für den Antrieb wurden Dieselmotoren
von MAN verwendet, die Kraftübertragung erfolgte mittels eines
Ardelt-Überholungsgetriebes sowie einer Blindwelle mit
Kuppelstangen. Ardelt lieferte 1951-54 insgesamt 16 Kleinloks in zwei
nahezu identischen Serien an die DSB. Die Loks blieben bis Ende der 1980er Jahre
im Einsatz, DSB Traktor 115 blieb beim "Østsjællandske
Jernbaneklub" (ØSJK) erhalten.
Ardelt-Schienendrehkrane
In den 1920er Jahren begann Ardelt mit der Herstellung von Schienendrehkranen in
unterschiedlichen Bauformen. Anfänglich dienten Dampfmaschinen
als Antrieb, später wurden Dieselmotoren verwendet.
Der Ardelt-Dampfkran Kran 6601 "Karlsruhe" (ex DRG 735001 "Mainz"),
blieb im "Verkehrsmuseum Sinsheim" erhalten. Ein weiterer Ardelt-Dampfkran
sollte von einer Arbeitsgruppe aus der "Interessengemeinschaft Bw Dresden Altstadt e.V."
instandgesetzt werden. Der Kran wurde zerlegt und die Drehgestelle aufgearbeitet, das Vorhaben wurde
aber zwischenzeitlich aufgegeben und das Fahrzeug zur Übernahme angebotem (Stand 2025).
Box: Ardelt-"Kranwagen 99"
Im "Bayerischen Eisenbahnmuseum" (BEM) in Nördlingen blieb der
selbstfahrende Ardelt-"Kranwagen 99" erhalten. Das Fahrzeug
wurde 1932 von der Rbd Frankfurt beschafft und bis 1945 im
Weichenlager Limburg (Lahn) sowie weitere 36 Jahre im Gleislager
München-Neuaubing eingesetzt. Das drehbare Kranhaus diente
sowohl als Fahrstand, als auch als Steuerstand des Kranes und war
rückseitig mit Betonplatten beschwert. Die im Kranhaus
angeordnete Maschinenanlage wurde ursprünglich von einer
Dampfmaschine angetrieben, die später gegen einen Dieselmotor
Typ F4L 413 getauscht wurde. Der Kran hatte eine Tragkraft von 6,0 t
bei geringster Auslage von 5,5 m bzw. 2,0 t bei größter
Auslage von 12,0 m. Das Fahrwerk bestand aus zwei ungefedert
gelagerten Achsen, die über Wellen mit Kegelradgetrieben
angetrieben wurden, die Höchstgeschwindigkeit betrug 5 km/h.
Unter jedem Puffer war eine handbetriebene Greifvorrichtung
angeordnet, um den Kran an den Schienenprofilen fixieren zu können.
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Nach Dänemark wurden 1963 und -66 die beiden Gleisbaukrane
DSB Specialvogn 156-157 sowie 1967 die
beiden Notfallkrane
DSB Specialvogn 145-146
von den Ardelt-Werken Wilhelmshaven geliefert.
Quellen:
Kocks Ardelt Kranbau GmbH www.kocksardelt.de
Landesdenkmalamt Berlin: https://www.stadtentwicklung.berlin.de
Merte, Jens: Lokomotivfabriken in Deutschland, www.lokhersteller.de
Messerschmidt, Wolfgang (1977): Taschenbuch Deutsche Lokomotivfabriken. Stuttgart:
Frankh´sche Verlagshandlung.
Netzwerk Industrie.Kultur.Ost: www.industrie-kultur-ost.de
Paulsen, Patrick: Rangierdiesel, www.rangierdiesel.de
Poulsen, John (2019): Motor Materiel 9 - Rangertraktorer. Smørum: bane bøger.
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