Die britische "Sentinel Waggon Works Ltd." hatte sich bereits einen
Namen mit dampfgetriebenen Lkw gemacht als sie 1923 ihren ersten
Dampftriebwagen vorstellte. Sentinel Straßen- und
Schienenfahrzeuge wurden von schnellaufenden Kolbendampfmaschinen in
kompakter Bauform – sogenannten Dampfmotoren –
angetrieben. Die Kraftübertragung auf die Achsen erfolgte
mittels Ketten, spätere Bauformen verwendeten Kardanwellen. Der
Kessel hatte die Form eines aufrechtstehenden Zylinders, der axial
von der Feuerbüchse durchzogen wurde. Die Kohle wurde durch eine
Luke an der Oberseite des Kessels zugeführt. Die meisten
Sentinel-Dampftriebwagen war zweiteilig aufgebaut, um den
Fahrgastbereich von der Wärmestrahlung und den Vibrationen der
Maschinenanlage zu entkoppeln. Im zweiachsigen Maschinenteil war die
gesamte Antriebsanlage untergebracht. Das Fahrgastteil stützte
sich gelenkig auf das Maschinenteil und ruhte am gegenüberliegenden
Ende auf einem zweiachsigen Laufdrehgestell. An beiden Enden des
Fahrzeugs waren Führerstände eingerichtet, was an
Endbahnhöfen einen einfachen Wechsel der Fahrtrichtung
ermöglichte. Die Wagenkästen waren aus Stahl aufgebaut und
wurden von der "Cammell Laird & Co" gefertigt. Die
Sentinel-Dampftriebwagen bewährten sich und fanden größere
Verbreitung auf den britischen Inseln sowie in den Kolonien, wobei
allein die "London & North Eastern Railway" (LNER) 80
Triebwagen bestellte und diese bis in die 1940er Jahre betrieb.
Die dänische "Hornbækbanen" (HHGB) beschaffte 1924 einen
Sentinel-Dampftriebwagen mit gelenkig verbundenen Maschinen- und
Fahrgastteil, eine Betriebsnummer wurde nicht vergeben. Der Antrieb erfolgte
durch einen Zweizylinder-Dampfmotor und Kettentrieb.
Das Fahrzeug verfügte an beiden Enden über Führerstände, es
fehlten aber reguläre Zug- und Stoßvorrichtungen. Da nur ein kleiner
Kohlevorrat mitgeführt werden konnte, gab es einen kleinen, zweiachsigen
Beiwagen für zusätzliche Vorräte. Zur Mitnahme von Post und Reisegepäck
wurde der zweiachsige Gedeckte Güterwagen Q 1 eingerichtet. Der Fahrgastbereich war
als Großraum mit Mittelgang und 2+2-Sitzteilung eingerichtet. An beiden Enden konnte der
Wagenkastens durch Schiebtüren betreten werden, es gab keine abgetrennten
Einstiegsräume. Die Rückenlehnen der Sitzbänke
ließen sich umklappen, sodaß die Reisenden immer in
Fahrtrichtung sitzen konnten. Bei der HHGB erhielt das Fahrzeug keine
eigene Betriebsnummer und wurde nur wenig eingesetzt. Anläßlich
des 500-jährigen Stadtjubiläums von Helsingør
erhielt der Triebwagen eine dekorative Verkleidung als Fachwerkhaus
und pendelte in den Sommern 1925 als "det rullende hus"
(das rollende Haus) zwischen Grønnehave und Hellebæk.
Das Fahrzeug erschien bei Lieferungrung hellgrau und erhielt 1926 ein gelbes
Farbschema, was unweigerlich den Spitznamen "Bananen" nach sich zog. Bereits 1940
wurde das Fahrzeug ausgemustert, der Wagenkasten blieb bis 1975 als Sommerhaus erhalten.
Technische Daten HHGB "Sentinel dampmotorvogn": |
Anzahl |
1 |
Hersteller |
Sentinel |
Baujahr |
1924 |
Bauart, Steuerung |
(B) 2' 2h |
Länge über Puffer |
17.200 mm |
Achsstand im Maschinenteil / Laufdrehgestell |
2.130 / 1.680 mm |
Rostfläche |
0,5 m² |
Verdampfungsheizfläche |
6,8 m² |
Überhitzerheizfläche |
1,8 m² |
Kesselüberdruck |
19 atm |
Zylinder-Ø |
172 mm |
Kolbenhub |
229 mm |
Treib- / Kuppelrad-Ø |
763 mm |
indizierte Leistung |
- PS bei - U/min |
Höchstgeschwindigkeit |
60 km/h |
Dienst- / Reibungsgewicht |
ca. 20,0 t / ca. 13,0 t |
Vorrat Wasser / Koks |
0,8 m³ / 0,2 t |
Einrichtung: |
Großr., 59 Plätze |
Abbildungen:
Fahrzeugliste HHGB "Sentinel dampmotorvogn" |
Hersteller |
Fabriknr. / Baujahr |
Betriebsnr. |
|
Sentinel |
5476 / 1924 |
- |
1924 von HHGB in Dienst gestellt
1930 abgestellt
1940 ausrangiert und verschrottet
|
Ein weiterer Sentinel-Triebwagen befand sich 1926 in einem dreimonatigem Probebetrieb bei der
Randers-Hadsund Jernbane (RHJ) als RHJ M 1. Der Kauf des Fahrzeuges wurde von der RHJ erwogen,
scheiterte aber u.a. an politischem Widerspruch, der stattdessen den Kauf eines dänischen
Produkts aus dem Hause Sandia forderte.
Quellen:
Alkjær, Hans Gram (1974): Motormateriellet: De danske dampmotorvogne. Signalposten 10. årgang Nr. 5: 186-190 + 210-213.
Bay, William (1977): Danmarks damplokomotiver. Herluf Andersens Forlag.
Christiansen, Asger & Poulsen, John (1999): 1924: "Damp er og bliver damp". Jernbane
historisk årbog '99: 31-38. Smørum, bane bøger.
Marsden, Richard: The London & North Eastern railway Encyclopedia, www.lner.info.
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