Steckbrief LBE DW 1-8



Die "Lübeck-Büchener Eisenbahn" (LBE) betrieb die Verbindung Hamburg-Lübeck-Travemünde, auf der sie 1936 ein wegweisendes Zugkonzept für den Personen-Schnellverkehr vorstellte. Als Zugkraft dienten drei eigens bei Henschel konstruierte Stromlinien-Tenderloks (LBE 1-3) der Achsfolge 1' B 1', die liebevoll "Mickey-Mäuse" genannt wurden. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h brachte die Stromlinienverkleidung allerdings keine messbaren Vorteile, sondern war lediglich ein attraktives Designelement. Das Wagenmaterial bestand aus zweiteiligen Doppelstock-Steuerwagen, die ebenfalls stromlinienförmig gestaltet waren. Die Fertigung der insgesamt acht Wagengarnituren (LBE DW 1-8) wurde verteilt auf die Waggonfabriken Linke-Hoffmann in Breslau (5 Stk.) und WUMAG in Görlitz (3 Stk.). Eine wesentliche Neuerung bedeutete der vorgesehen Wendezugbetrieb mit einem dampfgeführten Zug, was zuvor nur in Frankreich praktiziert wurde.

Die LBE-Doppelstockwagen bestanden aus zwei Wagenhälften mit drei zweiachsigen Drehgestellen der Bauart "Görlitz", wobei das mittlere als Jakobsdrehgestell ausgeführt war. Über den Drehgestellen lag das Fußbodenniveau auf der eisenbahnüblichen Höhe, sodaß hier die Einstiege angeordnet wurden. Zwischen den Drehgestellen lagen die Fahrgasträume auf zwei Etagen, die jeweils als Großraum mit Mittelgang eingerichtet waren. Bei der Gestaltung der Innenräume wurde die Architektin Liesel Bertsch-Kampferseck aus Berlin beratend hinzugezogen, die bereits als Innenarchitektin für die MITROPA tätig gewesen war. Der Großteil des Fahrgastbereichs war trotz gepolsterter Sitze in 2+3 Anordnung als 3. Kl. ausgewiesen. Ein besonderes Merkmal waren die verstellbaren Rückenlehnen, die es den Reisenden erlaubten, immer in Fahrtrichtung zu sitzen. In einem der Halbwagen war ein Bereich als 2. Kl. eingerichtet und bot mehr Beinfreiheit sowie eine großzügigere 2+2 Sitzteilung. Am äußeren Ende des 3. Kl.-Halbwagens gab es einen Stauraum für größere Gepäckstücke. Diese wurden vom Personal beim Einstieg entgegen genommen und am Zielbahnhof wieder ausgehändigt. An beiden Enden der Doppelwagen waren Steuerstände eingerichtet, von denen aus die Lok im Schiebebetrieb gesteuert werden konnte. Großer Wert wurde auf eine angenehme Temperierung der Wagen gelegt, wobei nach Bedarf mittels Eisblöcken gekühlt oder mit Dampf von der Lokomotive geheizt wurde. Auch äußerlich waren die Wagen eine prägnante Erscheinung: Die Fahrzeuge erschienen wie die Loks in grau, das Wagenende mit der 2. Kl. war gelb abgesetzt. Die Verbindung von Loks und Wagen erfolgte mit Scharfenberg-Kupplungen, zusätzlich waren Regelpuffer mit Stromlinienverkleidung vorhanden.

Die LBE-Stromlinienzüge wurden bei ihrer Präsentation 1936 vom Publikum begeistert angenommen und fanden eine internationale Presseresonanz. Der neue Komfort und die verkürzten Fahrzeiten ließen die Fahrgastzahlen sprunghaft ansteigen. Der Städteschnellverkehr mit den neuen Zügen wurde unter dem Slogan "Aus dem Häusermeer an die See" beworben. 1938 wurde die LBE von der Deutschen Reichsbahn (DRG) übernommen und der Wendezugbetrieb wurde eingestellt. In den Bestand der Deutschen Bundesbahn (DB) gelangten sieben der LBE-Doppelwagen, die hier als Gattung DAB6b mit den Nummern 30991-30997 eingereiht wurden und die chromoxidgrüne Farbgebung erhielten. Die Klimatechnik wurde entfernt und stattdessen Klappfenster installiert, die Steuerabteile wurden in den 1960er Jahren in Packräume gewandelt. Die Fahrzeuge liefen auf ihrer Stammstrecke Hamburg-Lübeck im Wendezugbetrieb mit Dieselloks der Reihen V 200 und V 160. Die ersten Ausmusterungen erfolgten Mitte der 1960er Jahre, die letzte 1978. Die verbliebenen Wagen erhielten ab 1968 die computergerechte Nummerierung der DB mit den Betriebsnummern 20800 (ex 30991 bzw. LBE-DW 1), 20803 (ex 30995 bzw. LBE-DW 5), 20804 (ex 30996 bzw. LBE-DW 8) und 20805 (ex 30997 bzw. LBE-DW 7).

Zwei der LBE-Doppelwagen blieben erhalten: DAB 20803 (ehem. LBE-DW 5) ging an das Werksmuseum der Linke-Hofmann-Busch-Werke (ab 1998 Alstom LHB) in Salzgitter. DAB 20804 (ehem. LBE-DW 8) wurde dank einer großzügigen Schenkung der Lübecker Possehl-Stiftung vom "Verein Lübecker Verkehrsfreunde e.V." (VLV) übernommen und auf den Namen "Lisa Dräger" getauft. Das Fahrzeug wurde für Ausflugsfahrten u.a. nach Dänemark genutzt. Nach der Insolvenz des Vereins wurden der Wagen 2013 vom DB-Museum Nürnberg ersteigert, wo das Fahrzeug auf dem Freigelände besichtigt werden konnten.


Technische Daten LBE DW 1-8:
Anzahl 8
Hersteller LHB / WUMAG
Baujahre 1936-37
Länge über Puffer 46.340 mm
Drehzapfenabstand 19.730 + 19.730 mm
Achsstand im Drehgestell 3.000 mm
zul. Höchstgeschw. 120 km/h
Dienstgewicht 71,0 t
Sitzplätze 2. Kl. / 3. Kl. 41 / 258
Einrichtung


Abbildungen:

DK10384 DK10388 DK10389 DK10390 DK10385 DK10395 DK10394

DK10391 DK10392 DK10403 DK10386 DK10393 DK10387

DK8093

DK8002 DK8003 DK8004

DK8016 DK8005


Quellen:
DB Museum Nürnberg: www.dbmuseum.de
Rhenius, Harro: Lübeck-Büchener Eisenbahn, www.luebeck-buechener-eisenbahn.de
Wagner, Peter et al. (1986): Reisezugwagen deutscher Eisenbahnen 6.1. Düsseldorf: alba Publikation Alf Teloeken GmbH + Co. KG.


Zur Fahrzeug-Übersicht