Die DR beschloß 1963 die Beschaffung einer Diesellok der 1.000 PS Leistungsklasse zur
Ablösung der Dampftraktion im schweren Rangier- und leichten Streckendienst. Der
"Lokomotivbau Karl Marx Babelsberg" (LKM) lieferte 1964/65 zwei entsprechende
Prototypen einer dieselhydraulischen Drehgestelllok als Typ V 100. Die Fahrzeuge waren
mit einem Mittelführerstand sowie schmalen, halbhohen Vorbauten versehen und verfügten
über einen Dampferzeuger zur Zugheizung. Die Serienfertigung der Loks wurde dem
"Lokomotivbau Elektrotechnische Werke Hans Beimler" (LEW) in Hennigsdorf übertragen.
In den folgenden Jahren entstand aus dem Typ V 100 eine erfolgreiche Lokfamilie, die bis 1985
in 1.146 Exemplaren gebaut wurde. Folgende Subtypen wurden unterschieden, wobei die
Werksbezeichnungen nicht mit den Baureihennummern zu verwechseln sind: Subtyp V 100.1 für
den Streckendienst war mit 869 Exemplaren die zahlenstärkste Version und erschien in
Bordeauxrot mit weißer Bauchbinde. Subtyp V 100.4 wurde für den Rangierbetrieb mit
geänderter Getriebeübersetzung und ohne Heizkessel ausgeliefert. Von dieser Variante
gingen 37 Exemplaren an die DR sowie 31 an Werksbahnen, die Loks erschienen in dem für
Rangierloks üblichen orangen Farbschema. Subtyp V 100.5 erhielt für den Einsatz mit der
"Grabenräumeinheit" (GRE) einen gesonderten Abtrieb und wurde in 18 Exemplaren
ausgeliefert. Die Subtypen V 100.2 und V 100.3 waren dagegen für China bestimmt und
wurden in insgesamt 190 Exemplaren exportiert. Weitere Varianten ergaben sich durch
die Verwendung von Motoren unterschiedlicher Leistung und verschiedener Getriebebauarten.
Schließlich vereitelte der nachträgliche Umbau zahlreicher Loks jeden Ansatz zu einer
nachvollziehbaren Übersicht. Bei der DR spiegelte sich diese Vielfalt in entsprechenden
Baureihenbezeichnungen für die Lokfamilie wider, die mit Einführung des EDV-Nummernschemas
ab 1970 als Baureihe 108, 110, 111, 112, 114 und 115 geführt wurde.
Nach dem Zusammenschluß der beiden deutschen Bahnen, wurde die DR V 100-Familie bei
der DB ab 1992 unter den Baureihen 201, 202, 203, 204 und 298 geführt. Der Bestand wurde
relativ zügig abgebaut, wobei zahlreiche Loks von privaten Anbietern übernommen und
modernisiert wurden. So fanden zahlreiche DR V 100 auch jenseits der deutschen Grenzen
neue Aufgaben bei privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), Gleisbaubetrieben und
Lokvermietern. Besonders aktiv war hier die "ALSTOM Lokomotiven Service GmbH" (ALS) im
ehemaligen RAW Stendal, die rund 100 ex DR V 100 nach Kundenwunsch aufarbeitete.
Weitere 11 DR V 100 wurden hier als Hybridloks umgerüstet und bildeten die technische
Grundlage bei der Entwicklung der Alstom Hybrid-Rangierlok "Prima H3".
Technische
Daten DR V 100 (DR 108, 110, 111, 112, 114, 115 / DB 201, 202, 203, 204, 298) |
Anzahl |
1.146 |
Hersteller |
LEW |
Baujahre |
1966-1985 |
Achsfolge |
B' B' |
Länge über Puffer |
13.940 mm |
Drehzapfenabstand |
7.000 mm |
Achsstand im Drehgestell |
2.300 mm |
Motor |
verschiedene, 12 Zylinder |
Leistung |
736 kW (1.000 PS) - 1.100 kW (1.500 PS) bei 1.100 - 1.500 U/min |
Kraftübertragung |
dieselhydraulisch |
Höchstgeschwindigkeit |
100 km/h |
Dienstgewicht |
64,0 t |
Abbildungen:
Box: DR 199.8 "Harzkamel"
Für den "VEB Pyrotechnische Fabrik Silberhütte" wurde Anfang der 1980er Jahre
im Selketal ein neues Heizkraftwerk gebaut, das mit Braunkohle betrieben wurde. Der
Brennstoff wurde von der DR in offenen Güterwagen angeliefert, die auf der letzten Etappe
durch den Harz über das 1.000 mm Schmalspurnetz mittels Rollwagen ihr Ziel erreichten.
Allerdings genügten die hier verwendeten Dampfloks nicht den Anforderungen und so entschied
man sich zur Einführung der Dieseltraktion. Da aus DDR-Produktion keine entsprechenden Loks
verfügbar waren, wurden vorhandene Loks vom Typ V 100 auf Schmalspur umgebaut und mit
dreiachsigen Drehgestellen versehen. Die Loks wurden als Baureihe 199.8 geführt und erhielten
wegen ihres schwankenden Laufs den Spitznamen "Harzkamel". Von den ursprünglich
avisierten 30 Umbauten wurden 10 ausgeführt. Nach der Wiederveinigung Deutschlands wurde
das Schmalpurnetz im Harz von der 1991 gegründeten "Harzer Schmalspurbahnen GmbH"
(HSB) übernommen. Es entfiel nun der Güterverkehr und die verbliebenen Touristikzangebote
erforderten Dampftraktion. Die Loks 199 861, 872 und 874 blieben bei der HSB betriebsbereit,
die übrigen wurden abgestellt oder verkauft.
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ex DR V 100 in Dänemark
Einige der modernisierten DR V 100 fanden ab Anfang der Nullerjahre sporadisch
ihren Weg nach Dänemark, wobei es sich überwiegend um Bauzugeinsätze handelte. Dazu
kam die neg 04 (ex DR 110 430) im Grenzverkehr nach Dänemark sowie RRF 21 (ex DR 110 407),
die 2011 für Alstom das Zugsicherungssystem ETCS in Dänemark vorführte. Die vorliegende
Fahrzeugliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit,
es handelt sich vielmehr um eine Sammlung von Meldungen aus einschlägigen Foren und Fotoblogs.
Ergänzende Angaben von Seite meiner geschätzten Leser sind jeder Zeit willkommen!
Quellen:
Glatte, W. (1981): Diesellokomotiven deutscher Eisenbahnen. Düsseldorf: Alba Buchverlag.
Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB), www.hsb-wr.de
Römhild, Dieter: V100 der Deutschen Reichsbahn, www.v100-online.de
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