Bei einem Tragflügelboot erzeugen Profile unter dem Rumpf während der Fahrt einen
dynamischen Auftrieb, der den Bootskörper aus dem Wasser hebt. Damit reduziert sich der
Fahrwiderstand des Bootes erheblich und es lassen sich Geschwindigkeiten erreichen, die bei
gleicher Leistung mit herkömmlichen Bauformen ausgeschlossen sind. Bereits 1906
demonstrierte der Italiener Enrico Forlanini (* 1848, † 1930) die Machbarkeit des
Prinzips mit einem Motorboot, eine reguläre Anwendung gab es aber noch nicht. In den 1930er
Jahren entwickelte der deutsche Ingenieur Hanns von Schertel (* 1902, † 1985, eigentlich:
Baron Hanns Schertel von Burtenbach) mit der Werft "Gebrüder Sachsenberg AG" in Roßlau
an der Elbe diverse Tragflügelboote für die Kriegsmarine. Hierzu zählten
u.a. die Landungsboote Typ VS8 "Schell I & II" zum Schnelltransport von Panzern für
das Afrikakorps und das Konzept eines tauchfähigen Einmann-Tragflügelboots Typ Sk 116
"Seedrache" mit Torpedobewaffnung. Keines dieser Vorhaben erreichte die Einsatzreife.
1953 brachte v. Schertel sein Wissen in die neugegründete schweizerische "Supramar AG"
in Luzern am Vierwaldstättersee ein, die sich der Entwicklung kommerziell nutzbarer
Tragflügelboote für den Passagierverkehr verschrieben hatte. Dabei handelte es sich um
ein reines Konstruktionsbüro, Prototypen wurden auf der "Waser-Werft" in Stansstad
gebaut. Als Pionierfahrzeug entstand 1953 der Typ PT10 "Freccia d’Oro"
(Goldener Pfeil), der als erstes Personentragflügelboot auf dem Lago Maggiore mit einer Reisegeschwindigkeit
von 85 km/h verkehrte. Die folgenden Serienfahrzeuge wurden bei verschiedenen Werften in Lizenz gebaut
und weltweit eingesetzt. Bis 1971 entstanden über 200 Exemplare der Supramar-Modelle PT20, PT50,
PT75, PT100, PT150 und andere. Eine Supramar PT20 erlangte 1965 mit dem Auftritt als Yacht
"Disco Volante" im James Bond-Film "Thunderball" auch cineastische Aufmerksamkeit.
Weitere Aktivitäten der Supramar betrafen die Stabilisierung der Strömung und Reduktion des
Kavitationswiderstandes an den Tragflügeln, wobei Luft an den Profilen ausgeblasen wurde. In
späteren Jahren befaßte man sich auch mit Konzepten für Bodeneffektfahrzeuge. Die
Supramar AG stellte Ende der 1970er Jahre (?) ihre Aktivitäten ein.
Eine unbedingt sehenswerte Dokumentation mit dem Titel "HYDROFOIL - Supramar AG History by Thomas Wuhrmann in Switzerland"
ist online verfügbar.
In Dänemark eignete sich die Querung des Öresunds für den Einsatz von Supramar-Tragflügelbooten.
1963 startete die "Rederi AB Sundfart" den Schnellverkehr mit ihren Booten "Sundfoil I & II"
vom Typ Supramar PT20B, 1964 wurde zusätzlich die "Westfoil" angemietet. Man benötigte
für die einfache Überfahrt Malmö-Kopenhagen 35 Minuten und war damit eine Stunde schneller als
herkömmliche Fähren. 1965 wurde die Verbindung von der "Rederi AB Öresund"
übernommen und mit Tragflügelbooten anderer Bauarten betrieben. 1972-76 gab es auf der Route
Malmö-Kopenhagen mit "H/S Prince of the Waves", "H/S Princess of the Waves" und
"H/S Queen of the Waves" erneut Supramar-Tragflügelboote Typ PT150, die von den Reedereien
"Gigant Foil" und "Öresundsbolaget AB" gechartert wurden. Die Wegstrecke von 18 Seemeilen
wurde von Terminal zu Terminal in 40 Minuten zurückgelegt.
Supramar AG |
|
PT20B |
PT150 |
Werft |
Westermoen Hydrofoil A/S (N) |
Westermoen Hydrofoil A/S (N) |
Baujahre |
ab 1961 |
1968-71 |
Länge |
20,58 m |
37,55 m |
Antrieb, Leistung |
Daimler Benz 4T EV DM, 12 Zyl., 1.350 PS |
2 x Maybach MTU 12V 1163 TB83, 12 Zyl., 2.955 PS |
Geschwindigkeit |
34 kn (63,0 km/h) |
36 kn (66,5 km/h) |
max. Betriebsgewicht |
32,5 t |
165 t |
Anzahl Sitzplätze |
70 |
250 |
Abbildungen:
Supramar PT20B:
Supramar PT150:
Quellen:
Rickenbacher, Jean-Luc (2021): Fliegende Schiffe. Schweizerisches Nationalmuseum, https://blog.nationalmuseum.ch
Timoleon, Tim (2015): The majestic PT.150. Classic Fast Ferries 2015-54. www.classicfastferries.com
Wuhrmann, Thomas: Fliegende Schiffe, www.fliegende-schiffe.ch