Die 1949 gegründete "Deutschen Bundesbahn" (DB) startete ein vielseitiges
Modernisierungsprogramm für ihren Fahrzeugpark. Hierzu zählten
auch Nachfolgemuster für die als "Fliegende Züge"
bekannten Schnelltriebwagen aus den 1930er Jahren, die nicht mehr dem
technischen Stand der Zeit entsprachen. Die Neukonstruktion wurde vom
Bundesbahnzentralamt München geleitet und erfolgte unter
Beteiligung zahlreicher namhafter Hersteller. Geplant wurden
dreiteilige Triebzüge, bestehend aus je einem Motor- (VT),
Mittel- (VM) und Steuerwagen (VS) in unterschiedlichen Ausführungen
für den Fernverkehr als VT 08.5 sowie für den Bezirks- und
Städteschnellverkehr als VT 12.5. Auf Grund der vielfältigen
technischen Fortschritte setzte man hierbei auf eine vollständige
Neukonstruktion. Für die Wagenkästen war eine
selbsttragende Lösung in Leichtbauweise vorgesehen. Besonderer
Wert wurde dabei auf die aerodynamische Ausformung der Stirnseiten
gelegt, die ein parabolisches Profil mit sphärisch geformten
Oberflächen erhielten. Der hohe Aufwand für diese
Konstruktion wurde damit gerechtfertigt, daß diese Form auch
bei weiteren Neubaureihen angewendet werden sollte. Die
Antriebsanlage mit dieselhydraulischer Kraftübertragung wurde
vollständig in einem Maschinendrehgestell angeordnet. Die
Vorzüge dieser Bauform lagen im niedrigen Gewicht und dem
geringen Platzbedarf, nachteilig war dagegen die Belastung der
Maschinenanlage durch die nur schwach abgefederten Stöße
vom Schienenweg. Ein wichtiges Merkmal war die Austauschbarkeit von
Motoren und Wandlergetrieben, die in verschiedenen Bauformen von
mehreren Herstellern gefertigt wurden.
Versuchsträger VT 92.5
Noch vor dem Bau der eigentlichen Triebzüge VT 08.5 / VT 12.5 wurde ab 1949 mit
Lösungen für die Antriebsaggregate sowie mit der Ausführung der Fahrzeugfront
experimentiert. Geplant waren 2 Versuchsträger als Baureihe VT
92.5 auf Basis vorhandener Drehgestell-Triebwagen, letztendlich wurde
aber nur DRG 872 (Wagenbau AG Wismar, Werknr. 20074, Bj. 1932) bei
MAN als "Versuchs-VT 92 501" (Werknr. 140522, Bj. 1951)
umgebaut. Es handelte sich um einen Triebwagen mit einem Lauf- und
einen Maschinendrehgestell, in dem verschiedene Motor- und
Getriebetypen erprobt wurden. Das Fahrzeug wies an beiden Enden die
neuen parabolischen Fronten auf und trug Puffer mit ovalen Tellern
und aerodynamischer Verkleidung sowie Regelkupplungen. Die erste
Farbgebung in rotbraun mit orangem Fensterband sowie grauem Dach und
schwarzer Schürze brachte dem Wagen den Spitznamen
"Kartoffelkäfer" ein. Später wurde das Farbschema
dem der Serienfahrzeuge angeglichen. Der Wagen erhielt keine
Einrichtung.
Der Versuchs-VT 92 501 wurde
vielfältigen Erprobungen unterzogen, wobei u.a. Messungen im
Windkanal bei 120 km/h einen Leistungsgewinn von rund 50 PS ergaben.
Nach dem Ende der Untersuchungen wurde
der Triebwagen ab 1956 in Nürnberg stationiert und als
Schlepptriebwagen für Schadfahrzeuge eingesetzt. VT 92 501 wurde
1978 z-gestellt und 1988 dem "Bayerischen Eisenbahnmuseum"
(BEM) in Nördlingen als Dauerleihgabe überlassen. 2005
erwarb ein Zusammenschluß von Privatpersonen als "VT 92 501
GbR" den Triebwagen mit der Absicht, diesen fahrfähig
instand zu setzen. 2011 wurde das Fahrzeug an den "Verein zur
Förderung und Dokumentation der Eisenbahngeschichte e.V." übergeben.
Technische Daten DB VT 92.5 |
Anzahl |
1 |
Hersteller |
MAN |
Baujahr |
1951 |
Achsfolge |
B' 2' |
Länge über Puffer |
21.850 mm |
Drehzapfenabstand |
14.270 mm |
Achsstand im Maschinen- / Laufdrehgestell |
3.900 / 2.600 mm |
Motor |
(verschiedene) |
Leistung |
736 kW (1.000 PS) bei 1.500 U/min |
Kraftübertragung |
dieselhydraulisch |
Höchstgeschwindigkeit |
120 km/h |
Dienstgewicht |
51,5 t |
Einrichtung |
(keine) |
VT 08.5 / VT 12.5 - Gemeinsamkeiten
Das Untergestell und der Wagenkasten
der Triebzüge VT 08.5 / VT 12.5 wurden als Leichtstahlbau
weitgehend geschweißt und als selbsttragende, verwindungssteife
Röhre in kombinierter Spanten- und Schalenbauweise ausgeführt.
Zur Minderung des Luftwiderstandes wurden verschiedene aerodynamische
Maßnahmen getroffen. Hierzu zählten die gerundeten Fronten
sowie die seitlichen Schürzen und die geschlossenen Bodenwannen
der Wagenkästen. Die Dächer, Seitenwände und die
Bodenwannen waren innen mit geräuschisolierenden Dämmstoffen
ausgekleidet. Die Seitenfenster im Fahrgastbereich waren
längsgeteilt, wobei das Oberteil mittels einer Handkurbel
geöffnet bzw. geschlossen werden konnte. Der Einstieg erfolgte
durch Schwenk-Schiebetüren System Kiekert, die sowohl per Hand
als auch zentral vom Führerstand aus betätigt werden
konnten. Eine Klimatisierung mit Kältemaschinen war nicht vorgesehen.
Die Antriebsanlage war vollständig
in einem Maschinentriebdrehgestell untergebracht und bestand aus
einem 12-Zylinder V-Dieselmotor mit Abgasturbolader. Die
Kraftübertragung erfolgte über ein hydraulisches Getriebe
und Gelenkwellen auf die beiden Achsen des Drehgestells. Bei den
Motoren wurden untereinander austauschbare Modelle von Daimler-Benz,
MAN und Maybach verwendet, bei den hydraulischen Getrieben wurden
Muster von Maybach und Voith verbaut. Die Werte für die
Motorleistung und die Höchstgeschwindigkeit lagen zunächst
bei 800 PS und 120 km/h, die bald auf 1.000 PS und 140 km/h
gesteigert wurden. Über dem Maschinentriebdrehgestell befand
sich der Maschinenraum, unter dessen Dach die Kühlanlage
aufgehängt war. Die Kraftstofftanks, die Batterien sowie
verschiedene technische Ausrüstungen waren in den Bodenwannen
angeordnet, zu denen seitliche Klappen Zugang boten. Die
Einrichtungen zur Bedienung und Überwachung der Maschinenanlage
im Führerstand wurden wie bei den Loks der Baureihe V 80
ausgeführt. Die Triebzüge waren mit der "Vielfachsteuerung
1949" versehen. So ließen sich in den Triebzügen
weitere Mittelwagen einstellen und der Steuerwagen gegen einen
zusätzlichen Motorwagen tauschen. Es konnten auch mehrere
Einheiten mit bis zu 6 Motorwagen von einem Steuerstand aus gefahren
werden, wobei sich beide Baureihen gemischt betreiben ließen.
Die Kupplung erfolgte mit selbsttätigen Mittelpufferkupplungen
der Bauart Scharfenberg, bei deren Betätigung auch die Luft- und
Steuerleitungen verbunden bzw. getrennt wurden.
Der Modernisierungsanspruch der noch
jungen DB zeigte sich deutlich in der Gestaltung der Triebzüge
VT 08.5 / VT 12.5. So bildete deren Frontpartie mit dem parabolischen
Profil und der sphärisch geformten Oberfläche einen klaren
Kontrast zu traditionellen Formgebungen und brachte den Zügen
ihren Spitznamen "Eierköpfe" ein. Die Fahrzeuge
erhielten eine exklusive Farbgebung in Purpurrot (RAL 3004) und mit
grauem Dach, die Schürze war schwarz gehalten und gegen den
Wagenkasten mit einer gelben Zierlinie abgesetzt. An den Stirnseiten
waren die Fenster des Führerstands mit einem schwarzen Band
zusammengefasst, zwischen den Scheinwerfern prangte ein Flügelradlogo
mit den Lettern "DB". Das Logo wurde allerdings bereits
1955 entfernt und stattdessen das schwarze Fensterband der
Führerstandsfenster keilförmig zur Scharfenbergkupplung hin
ausgezogen. In dieser Gestaltung verblieben die Züge bis zu ihrer Ausrangierung.
Technische Daten DB VT 08.5 / 12.5 (dreiteilig) |
|
VT 08.5 |
VT 12.5 |
Anzahl VT / VM / VS |
20 / 22 / 13 |
12 / 13 / 4 |
Hersteller |
MAN, Rathgeber, WMD Donauwörth |
Rathgeber, WMD Donauwörth |
Baujahre |
1952, 1954 |
1953, 1957 |
Achsfolge |
B' 2' + 2' 2' + 2' 2' |
B' 2' + 2' 2' + 2' 2' |
Länge über Kupplung |
79.970 mm |
77.810 mm |
Motor |
Daimler-Benz MB 820 Bb, 12 Zylinder, Druckladung
Maybach MD 650, 12 Zylinder, Druckladung MAN L12 V 17,5/21B, 12 Zylinder, Druckladung |
Daimler-Benz MB 820 Bb, 12 Zylinder, Druckladung
Maybach MD 650, 12 Zylinder, Druckladung MAN L12 V 17,5/21B, 12 Zylinder, Druckladung |
Leistung |
736 kW (1.000 PS) bei 1.500 U/min |
736 kW (1.000 PS) bei 1.500 U/min |
Kraftübertragung |
dieselhydraulisch |
dieselhydraulisch |
Höchstgeschwindigkeit |
140 km/h |
140 km/h |
Dienstgewicht |
121,4 t |
112,0 t |
Sitzplätze 1. / 2. Kl. |
114 / - + 24 im Speiseraum |
48 / 180 |
Einführung
Teil 1: Neue Schnelltriebzüge für die DB
Teil 2: VT 08.5
Teil 3: VT 12.5
Teil 4: Abgeleitete Bauformen
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